Beiträge zur
geschichte der
Universitäten
Leipzig und
Wittenberg
Wilhelm ^
Bruchmüller
HARVARD COLLEGE
LIBRARY
GIFT OF THE
GRADUATE SCHOOL
OF EDUCATION
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Beiträge zui' Gescliiclite
der
nmsiiäien LeiM id Hern
Nebst einem Anhang.
Von
Dr. W. Bruchmüller.
Leipzig.
Pieterieh' flehe YerlagB-Buoliliaxidliing
nwodor W«leli«r
189&
/
HARVARD COLLEGE LIBRAffff
GIFT er TM£
GRAOUATE SCHOOL OF EOUCATIOM
MAY 141931
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Inhalt,
1.
Die Universitäten Leipzig und Wittenberg in den ersten Decen-
1
2.
Die Ver^'altung und Organisation der Universitäten Leipzig und
15
3.
Anhang': Zur ältesten Geschichte der Universität Frankfurt
51
Vorwort.
Die Dachfplgenden drei kleiDen Aufsätze sind schon Mher,
wenn auch in etwas anderer und Terkürzter IFonn, yereinzelt
im Druck erschienen^ die heiden ersten im Jahrgang 1896 der
Wissenschaftlichen Beihige zur Leipziger Zeitung, der dritte im
gleichen Jahr in der Ihrankfurter Oderzeitung. Was im be-
sonderen diesen dritten als Anhang beigegebenen Artikel be-
trifft, so sei bemerkt, dass ich ihn den beiden sich mit der
Geschichte der Universitäten Leipzig und Wittenberg be-
schäftigenden Aufsätzen beigefügt habe, weil er uns, wenn auch
in flüchtigen, skiz/t nliaften Umrissen, ein Bild giebt von dem
Leben und den Einrichtungen an einer anderen ostdeutschen
UniTersität jener Tage. Dem Leser wird es dadurch ermög-
licht, wenigstens für manche Punkte Vergleiche zwischen den
einzelnen UniYersitäten anzustellen und aus den Uberein-
stunmungen und Abweichungen sich einen ungefähren Schluss
zu machen, was 7on den Wittenberger und Leipziger Einrich-
tungen und Zuständen, die er in den ersten beiden Aitikehi
kennen lernt , einerseits spedfische Eigentümlichkeit dieser
sächsischen Hochschulen, was ihnen dayon andererseits mit
andereü Universitäten Deutschlands gemeinsam war.
Führt uns der erste Aufsatz . der sich mit dem Siege des
Humanismus an den beiden Universitäten Leipzig und Witten-
berg beschäftigt, in die Zeit des Eraporblühens einer neuen
freieren Weltanschauung und eines neuen wahrhaft wissen-
schaftlichen Lebens, so erinnert uos der zweite Artikel an
Tiden Stollen, mag er sich auch vorzugsweise mit der äusseren
Verwaltung und Organisation der UniTcrsitäten befassen, daran,
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"VI
Vorwort
dass schon am Ausgang des XVI. und gar im XVII. Jahr*
hundert dieser freiere Hauch geistigen Lebens auch an den
evangelischen Universitäten yollkommen yerweht war. Unter
dem Druck einer starren und Terknocherten lutherischen Becht*
gläubigkeit war an die Stelle freien Strebens nach Wahrheit^
wie sie der Beginn des XVI. Jahrhunderts zeigt, ein pseudo-
"wisbeiischaftliches, spitzfindiges Begriffespalten eine öde, inhalt-
lose Wortklauberei und ein pedantisches Festklammern an über-
kommene dogmatische Begriffe getreten, wie sie der Zeit der
ausgehenden Scholastik alle Ehre gemacht hätte. Eine mit
dem Ansprach, im alleinigen Vollbesitz der Wahrheit zu sein,
auftretende Orthodoxie ist eben, wo immer sie zur Herrschaft
gelangt, mnt: sie sich nun evangelisch oder katholisch nennen,
stets die Todfeindin eines Toraussetzungslosen , nur nach der
Wahrheit suchenden, wissenschaftlichen Strebens.
Der Verfasser.
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L
Die Universitäten Leipzig und Wittenberg
in den ersten Decennien des XYI. Jahr-
hunderts. ^)
Wenn man glaubt» dass schon seit der Mitte des XIV. Jahr-
hunderts und gar im XV. die Blüte und innere Kraft der
Scholastik in Deutscbland gebrochen gewesen sei, so befindet
man sich in einem grossen Irrtum. Das erweisen allein schon
die zahlreichen üniTersitätsgröndnngen jener Jahre in Deutsch-
laad. Sie begannen mit der Broffhung von Prag 1348, es folgten
rasch hintereinander die von Wien, Heidelberg, Kulu, Eri'urtj
Leipzig und E,ostock. Nach einer kurzen Pause setzt dann
eine neue Epoche dieser Gründungen ein, in der Greifswald,
Freiburg, Basel, Ingolstadt, Mainz. Tübingen, Wittenberg und
als letzte 1506 Frankfurt a 0. eröffnet wurden. Trotz dieser
Neuschöpfongen aber, oder gerade durch sie waren seit der Mitte
*) An Litteratnr voidin su dioiieni AnCmti beootst: L Felician
Gess: Die Leipziger Universität im Jahre 1502. In dor Fwtflcbrift zum
deutschen Historikertago in Leipzig 1884. 2. Felician Gess: Leipzig
tmd Wittenberg". Ein Beitrag" zur säohdachen Kefonnationsgeschichte.
Neues Archiv für sächf=is('}ie (-rpsrliichte Bd. XVI. 3. Paulsen: Gre-
Bchichte des gelelirten üüLernclits. 4. Lamprecht: Deutsche Geschichte
Bd. VI. 5. V. B e t z o 1 d : Greschiclite der deutschen Reformatiun. 6. D a -
rid Strauss: Ullrich von Hutten. 7. Allgemeine deutsche Bio-
graphie. 8. Urkundenbnch der ünirersitit Leipzig. 9. Co-
dex Augmteiia.
Brncbrnttller, Butiäge. 1
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2 Die UniTenitäten Lttpsg und Wittenberg im XVI. Jahrhimdert*
des XV. Jahrhundert» die Tage der Scholastik geas&hlt; ihr ver-
alteter Studienhetrieb muflste einer neuen Bichtung, einer ganz
nenen Weltansehauung, die von Italien her damaJa ihren Sieges-
lauf dnrch Dentaehland begann, Plats machen, dem Hnmanismiis.
Italien ist das Geburtsland der Renaissance. Man hatte den
Menschen viederentdeckt, d. h, den Menschen als Emzelperson,
als IndiTidnnm. Sieh loslösend ans der Gebundenheit des Mittel*
alters, die den Einzelnen nur als Mitf^lied seiner Kaste, seines
Standes gelten lassen wollte, griff man jetzt zurück auf die
Jahrhunderte lang verschüttet gewesenen Quellen der klassischen
Litteratur der Römer und Griechen, für deren Verständnis man
erst jetzt durch das Bewusstwerden seiner Selbst reil geworden
war. Und mit Erstaunen fand man dort wieder, was man au
sich selbst erfuhr, eine daseinsfreudige, selbstbewusste Indi-
fidualität. £s ist die erste schöne Frühlingszeit eines neu er-
wachenden Geisteslebens, eines frischen Wachsens und Spriessens^
wo man an jedem jungen Keim, an jedem neu sich erschliessenden
grünen Blatt sich erfreut und noch nicht ängstlich nach den
Früchten fragt; wo selbst das Unkraut mit Freude begrüsst
wird, nur weil es kräftig grünt, wo alles nur vorwärts drängt,
unbekümmert um das Ziel, das noch in nebelhafter 1^'erne und
in Ungewissen Umrissen den Eilenden winkt.
So innss man an diese grosse Revolution des creistigen Lebens
herantreten, will man rein und unbefangen ihrer Grossartigkeit
und Kraft sich erfreuen. Angstliches Fragen nach Ziel und
Ausgang, kleinliches Splitterrichten, das scheltend und belfernd
jeden grossen oder kleinen Fehler aufdeckt, ist ihr gegenüber
nicht am Platze.
Gewiss wucherte manch' lustiges Unkraut und manche
schiUemde Giftblume in der grünen Saat Gewiss gab es unter
den Humanisten manche zweifelhafte Persönlichkeit, manchea
verbummelte Genie, wie Peter Luder z. B., der sich besser auf
Sciiuldenmachen und Liebesabenteuer als auf die Wisseuschaft
verstand. Gewiss mag in manchen unklaren Köpfen die ein-
gehende Beschäftigung mit dem klassischen Altertum die Utopie
einer schrankenlosen itenaissance des Altertums haben entstehen
lassen, mögen sich die Begriffe von Sitte und Glaube bedenklich
verschoben haben, und der Sinn für die Gegenwart Verloren
SHb Uni'vmtSteii Lttpdg und Wittenberg im XVI» Jahrhundert 3
gegangen sem. Deshalb aber die gainze herlliche Bewegung
zu Ternrteilen, vorher alles in rosarotem Lichte zn sehen und
nach ihr aUes schwarz und nodimals schwarz , sie för die
Trägerin der Unsittlichkeit und des Atheismus zu erklären, das
beweist nur die Unfähigkeit kleinlicher Geister, diese grosse
Entfaltung des Menschen geistes zu verstehen imd zu erfassen.
Und das auch wolle man nie vergessen: Ohne Humanismus
war eine lleforination unmöglich. Der HumaniRrnus hat Luther
die Wege gebahnt und die Geister erst empfänglich gemacht,
etwas J^eues überhaupt zu erfassen. Ganz abgesehen da-
von , dass er erst der Reformation die formalen Mittel zum
Kampfe wider Born in die Hand gab, die Kenntnis der alten
Spradien.
Humanismus und Beformatäon sind beides Äusserungen
smer und derselben grossen geistigen Bewegung, die auf die
Befreiung der EinzeHndiiddualitttt aus dem Bann mittelalter-
lichen Konventionalismus drang. Und der Humanismus, wie er
lü italien erblühte, war entschieden die ältere und umfassendere,
aber auch überall oberflächlichere dieser beiden Äusserungen,
während in der deutschen Deformation Martm Lathtr diese
Bewegung nach echt germanischer Art verengte, aber auch ver-
tiefte. Ohne die Reformation wäre der deutsche Humanismus
aicher eben so unfruchtbar gehlieben für die Nation als Ganzes,
wie es schliesslich der italienische für Italien geworden ist. Die
böhm geistige Beanlagung des deutschen Volkes, sein tieferes
ReligionsbedUrfnis heischte dringend eine entschiedene Wendung
dieses neu erwachten Individualismus auf das kirchliche und
religiöse Gebiet. Von blosser Ästhetik konnte das deutsche
Volksgemüt nicht satt werden. Diese beiden grossen geistigen
Bewegungen sind eben nicht von einander unabhängigt' , nur
zufällig gleichzeitige, sondern sie erwacbsen aus ein und dem-
selben Grunde, aus der rtu erwachten individuellen Weit-
anschauung. Ohne die Reformation, ohne die Anwendung des indi-
Tidualismus auf die höchsten Fragen des Menschengeschlechtes,
auf das persönliche Verhältnis des Einzelnen zu seinem Gott,
bätte ein rein schöngeistiger Humanismus notwendigerweise ver-
landen und* verflachen müssen. Ohne die Benaissance anderer-
8«LtB wäre die Befonnation im glücklichsten FtSU nichts anderes
1*
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4 Dia OniTenitaten Leipag und Wittenberg im XVI. Jahrliimdert
als eine äusserliche Beformbewegang innerhalb der katholischen
Kizohe geworden.
Seit der Mitte des XV. Jahrhmiderts etwa begann nun, wie
schon gesagt» in Deutschland der Kampf zwischen Hmuanismiis
und Scholastik um die UniTersit&ten, vor allem um die Fakultät
der Artisten 7 der Vorstufe für die drei oberen Faknltftten.
War sie genommeD, so fielen die drei anderen dem Sieger von
selbst zu. Am frühesten gelangte der Humanismus in Wien
zur Herrschaft. Ich erinnere au die bekannten Nnmen Peuer-
bach, Regiomontan, Cuspinian, Conrad Geltes. Es ioigten dann
Basel und Tübingen. In Mitteldeutschland wurde am frühesten
Erfurt ergriffen; hier blühte der „ordo Mutiani"} es wirkten
Männer wie Mutianus Bufus, Grotus RubiannS} Eobanus
Hessus XL. a. m. Ans diesem Erfurter Kreise gingen die epistolae
ohscuromm virorom herror, Ton denen ein nicht geringer Teil
mit Beziehung auf unser Leipzig geschrieben ist, welches unter
den bedeutenden ünirersitaten zusammen mit Köln zu Beginn
des XVI. Jahrhunderts als eine Hochburg der Scholastik galt,
während Wittenberg und Prankfurt a. O. sich sofort nach ihrer
Entstehung hiiciimistischen Einflüssen geneigt zeigten.
Wie nun m Leipzisr und Wittenberg im Laufe der ersten
Decennien des XVI. J aiirhunderts die neue Bewegung der
Geister völlig zur Herrschaft gelangte, aber sofort dann auch
von der noch neueren der Reformation abgelöst wurde , davon
soll nun in den folgenden Zeilen versucht werden, ein ungefähres
Bild zu geben.
Leipzig war, wie wir wisseui 1409 von Prag aus hegrttndet
worden. Fast ein Jahrhundert hindurch besass die TJniYersit&t
im ostlid&en Deutschland keine Bivalin; das wurde mit Beginn
des XVI. Jahrhunderts anders. Bei der Teilung der wetiäniscfaen
Lande 1485 war Leipzig endgültig den Albertinem zugefallen;
und der Wunsch der Emestiner nach einer eigenen Landes-
universität wird ein Hauptbewoggrund für die Erschaffung der
Universität Wittenberg gewesen sein, wie derselbe Wunsch
später, nach dem Verlust von Wittenberg, zur Gründung der
Universität Jena fübrte. Am 18. Oktober 1502 wurde in der
kleinen, fast dorfähnlichen Stadt von kaum 3000 Einwohnern
die UniTersität eröffnet. Im Jahre 1506 erfolgte die Ghrttndung
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Die Univerntäten Leipzig^ und Wittenberg im XVI, Jahrhundert. 5
Erankfuits a. 0. Hier wie in Wittenberg waren frühere Leipziger
Dooenten die ersten Rektoren, in Wittenberg Meilerstadt, in
Frankfurt Wimpina, der später als tüchtiger Gegner Lathers
Berühmtheit erlangt hat
In Xieipzig war man Ton Anfang an von der Nachricht
der Erdffiiung der Umyersität Wittenberg am 18. Oktober 1502
keineswegs erbant^ weil man eine bedeutende Konkurrens
fürchtete. In Wittenberg war das Leben billiger, man hatte
„leichte Zehrimg all da", ausserdem sollten exquisite Legenten'^
an die neue Hochscliuie berufen worden sein. Man hatte des-
halb allen Grund , sich vor einer Massenauswanderung der
Leipziger Studenten nach Wittenberg zu fürchten . bpsoTiders
da man schon seit eiuiger Zeit bemerkt zu haben glaubte^ dass
die Studenten in Leipzig nicht mehr recht heimisch und sess-
haft werden wollten. Und die Zustände der Leipziger Vm*
Tersität lassen ebe solche Befürchtung nur als allzu berechtigt
erBcheinen. Freilich war schon 1462 Petrus Luder auf kurze
Zeit in Leipzig aufgetaucht, aber er war wohl der ungeeignetste
Mann, um hier für die neue Bichtung, als deren Vertreter er
sich in hochtönenden Phrasen einführte, Propaganda zu machen ;
auch war er bald wieder davongezogen, und so waren in Leipzig
die alten Zustande geblieben. Und was für Zustände I Man
braucht die Kenntnis hierfür nicht allein aus den epistolis
obscurorum viroruni au das Haupt derselben (3rtuinu9 Gratius
in Köln, zu schöpfen, iu deren erstem Brief uns die köstliche
Schilderung eines Leipziger prandium magistrale gegeben ist,
bei dem sich diese seltsamen scholastischen Käuze mit Auf-
wendung all ihres dialektischen Scharfsinnes über die tiefsinnige
und wichtige Frage streiten, ob jemand, der zum Magister
promo^rt werden soll, richtiger noster magistrandus, oder
magister nostrandus genannt werden müsse. Es liegen uns üb«
die damaligen Leipziger Zustände noch andere, beweiskrafltigere
Berichte vor, die uns Felician Gess in seinem Aufsatz: „Die
Leipzi(?er Universität im Jahre 1502'' wiedergiebt. Herzog
Georg von Sachsen , der sich nachmals so sehr um die Ge-
winnung Leipzigs für die humaniaiischen Studien verdient
gemacht hat, weilte im Oktober 1502 in Leipzig, als die Nach-
zieht von der Eröffnung Wittenbergs eintraf. £r erkannte so-
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6 Die ünhranitSteii Lelpsig and Wittenberg im XVL Jahrirnndert.
fort die Ton dorüier drohende Qefahr für seme ümversität
und forderte TOn Bektor und BfimtUohen Docenten umgehend
flohrifüiohe Ghitaehian IU>er die MiB&st&nde nnd Vorschläge zu
ihrer Beseitigung em. Die hekanntesten unter den Ter&ssem
dieser Berichte sind der Theologe Wimpina, der Mediziner nnd
spätere Ereund Luthers Stromer vod Auerbach , der in den
Jahren 1519 — 1530 Auerbachs Hof in Leipzig erbaute und den
berühmten Keller anlegte, femer die Juristen Johannes Breiten-
bach und Laurentius Zcoch. Hier stellten sich nun die furcht-
barsten Missstände heraus.
Die meisten Gutachten beginnen mit einer Charakteristik
der theologischen Fakultät, weil sie die oberste sei und sich
anmasse, in alle Angelegenheiten der anderen Fakultäten hinein-
zureden. Ihre Henschsncht wird allgemein beklagt , dabei
halten sich die meisten ihrer Mitglieder seit Jahr nnd Tag
gamicht in Leipzig auf, obgleich sie ihr jährliches Gehalt ruhig
veiterbedehen, sondern pflegen em beschauliches Dasein in
Magdeburg, Merseburg und anderen Orten. Wimpina hält dar
bei ihre Kückbenifiuig garniciit einmal füi- wünschenswert, da
sie der Fakultät ilucb wenig Ruhm bringen würden. Oft seien
nur zwei Doktoren der heiligen Schrift in Tj^ipzig anwesend,
und daher gäbe es nur wenige und dabei schlechte, ermüdende
und schleppende theologische Vorlesungen. Ein Professor habe
24i Jahre über 8 Kapitel des Jeremias gelesen, Tiele in 10 und
mehr Jahren nicht 50 Lektionen gehalten. Ein anderes Gut-
achten yersichert bei Eid und Pflicht „das von allen dootoribus
genanter faculteten in eynem ganzen Jhare nicht zehen lectionee
gelassen werden; und wan sie lessen, so lessen sie doch alsso,
das wenigk frucht den, dye do zuhören, dorauss erweehset; und
wan eyner, der in der heyligen scbrifft alhie zu leypczk studiret,
methusalcma Jliar erlaiii^cii mochte, das itzund uumoglich ist,
so konde er kaum lütrum ysaye ausshoren mit der weysse, als
sye lessen, wan eyn Doctor zu lessen utf dye cathedra kompt,
so sitzt er und kuckt auss seyner kappen und lisst, das er sich
selber kaum hören kan ; hyrumb müssen Tihl ?on hinnen kegen
Paiiss» Köllen und andere uniyersiteten zihen umb des willen,
das sye alhye nicht lectiones haben**. „Also wachsen unsere
Theologie (wie) das grass im winter.** Nur Wimpina wird als
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IKe UmireintiUeii Leiptig and WHteiibeig im XVI. Jaltriiimdirt. t
fleissig imd mit Erfolg lehrend unter den Theologen gCH
rtthmt*
Unter den Jnristen erhalten das gleiche Lob nnr Johannes
Breitenbach nnd Br. Job. Wilde. Besonders mangelt es hier
an würdigen Vertretern für das römische Recht. Ausserdem
wirti Herabsetzung der Promo tioüskosten gefordert. Unter
i>00 Guldf'ii könne jetzt niemand den Grad eines Dr. iur.
ntriu<(|ue erlangen. Dagegen sollen die wissenschaftlichen An-
spnkhe gesteigert werden, man habe Leute zu Baccalaureen
des 17t istlichen Hechts gemacht, die nicht Latein reden konnten
nnd sich kaum Jahr an einer Universität aufgehalten. Von der
medizinischen Fakultät, die unbedeutend und ein beschauliches
Stillleben fär sich führte, erfahren wir wenq^. Um so wichtiger
ist die Artisten&knltät; auf je ein Mitglied der drei anderen
Fakolt&ten werden 30 von ihr gerechnet, als Schüler oder
Lehrer hatte wohl jedes Mitglied der anderen Fakullfiten ihr
einmal angehört. Sie bildete eine Art Vorschule fiir die
übrigen ; viele fungierten als Magister und Lehrer m ihr und
standen zugleich als Schüler in einer der anderen.
Tn ihr spalteten sidi die Magister m zwei Klassi n. in die
der Fakultisten und die der Nichtfakultisten. Jene bildeten das
eoncilium facultatis und entschieden dort ihre Angelegenheiten,
sie allein bezogen ein festes Gehalt, nnd die Examenssporteln
flössen in ihre Taschen« Diese mussten sich durch FhTat-
nnterricht, Behausung nnd Beköstigung ron Studenten oft
kärglich genug weiterhelfen. Und oft nahmen die Fakultisten
ihnen auch noch diesen Erwerbszweig weg, denn die Fakul-
tisten allein entschieden später über das Wohl und Wehe der
Examinanden. Allgemeine Klage erhebt sich über den Eigen-
nutz dieser Fakultisten gegenüber Ludenten und ISichtfakul-
tisten. Es herrsche bei ihnen ,,sanctus denarius"; wer sie
nicht grüsst mit zugesclilossf ner Hand, der falle trotz der
besten Kenntnisse durchs Examen; giebt man ihnen den Kock,
nehmen sie viel lieber das Hemde dazu und thun vrie der Narr,
der, als er unter beiden wählen sollte, meinte: y^es were alles
pejdes gut peyeynander^. Sie thun den guten armen Gesellen
C^ch den GNbisen, ohne dass sie nicht gesengt und gebraten
werden. Sende man einen Esel mit Geld zu ihnen ins Blzamen,
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B Die UniTenitäten Leip«g und Wittenbei^ im XVL JahrlLondert.
80 würde er nicht von ihnen rejideit werden etc. „Wer heutel«
Samen zu sehen (säen) hat, der mag gut hoffnung haben."
Auch ein Nichtfakuiüat durfte freilich einen akademischen
Giad erteilen, aber ar gehörte nicht der Ezamenskonunissiom
an, stand er daxnm nicht gnt mit den Eaknltisten und schmeichelte
ihnen recht, so waren die Aussichten für seinen Ftomowenden
nngttnstig.
überhaupt war es den Fakultisten mit der Zeit gelungen,
die Lehrfreiheit und Lehrgelegenheit der Nichtfakultisten auf
alle mögliche Weise einzuschränken und ihnen den endlichen
Eintritt in die Fakultät zu erschweren. Tyrannei und Cliquen-
wesen herrsche in der Fakultät, man nannte sie nach ihrem
Führer Joh. Fahh aus Donauwörth den „schwäbischen Bund^.
Man forderte Säuberung der Fakultät von den anstössigen
Elementen und Aufhebung der Beschränkung der Zahl ihrer
Mitglieder auf 16. Auch noch andere Dinge wurden ihnen
vorgeworfen, man sprach von „iren weybern und kindem, von
den sye doch nicht yeter heyssen wollen". Imhoff, zwar selbst
ein Faknltist, aber ganz auf gegnerischer Seite, sagt Ton einem
aus dieser Zahl, dem Nicolaus Curia: „er lesst seyn bulschaft
olfenberlich alle tag( und wan iss yn gelost zu yhm gehen
und si ohern seynen tisch speyst, dass seyn geseln all sehn.'*
Doch solche Vorwürfe wurden auch gegen viele andere erhoben,
es war ein ganz allgemeines Übel. ,.Iss eyn CoUegium zu
liptzig, genant das furstencollegium, iss soll das bubencollegium
genannt werden", dadurch würden die Studenten und Magister
▼erführt, denn „wan der apt wurffei uff liget, so spiln dy
monch**. Hauptsächlich nach den Vorschlägen Wimpinas und
Breitenbachs Wate nun Herzog Georg im NoTember 1602
eine Beformation durch, doch mit gaius geringem Erfolg, es
blieb fast alles beim AHen.
Wenden wir uns nach dieser ekigehenden Schilderung der
Leipziger Yerliältnisse nacli Wittenberg, um zu sehen, wie dort
die Sachen standen. Hier zeigte sich von Anfang an der Ein-
fluss des humanistischen Geistes. Bei früheren Errichtungen
von r^niversitäten hatte der Papst die Eröffnungsbulle erteilt,
hier that es Kaiser Maximilian. Es heisst in diesem Patent,
die Pflege der Wissenschaften und der schönen latteratur sei
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Die üiuTerntiten Leipag und Wittenbefg im XVL Jahrbimderi 9
die Aufgabe des Kaisen; als Ziel der akademiscbea Erziehung
wird die Aufgabe biugestellty die Jugend tttcbtig und geschickt
zu machen für das weltliche Regiment und die Aufgaben des
öffentlichen Lebens.
Aber trotz des anfäDglichen grossen Zuzuges blieb die
Frequenz in den ersten Jahren doch hinter der erwarteten
Zahl zurück, und die Leipziger Befürchtungen schienen sich
fürs erste nicht erfüllen zu sollen. Der aus Bologna zurück-
gekehrte, etwas grosasprecherisclie Jurist Christoph Scheurl
rühmte zwar Wittenberg nach, dass in ganz Italien keine
Universität sich finde, die Wittenberg an Zahl ausgezeichneter
Gelehrten gleich komme, aber Wittenberg lag doch zu sehr
an den Grenzen der Kultur, um sofort zu einem Brennpunkt
gdstigen Lebens in Deutschknd zu werden. Immerhin wirkten
schon YOn Anfang an in ihr eine grosse Zahl tuditiger Gelehrter
mit tönenden Namen, so in der theologischen Fakultät Stanpitz,
Mellerstat, Trutvetter, in der philosophischen neben Anhängern
der alten Richtung. Thumisten und Skotisten, auch namhafte
Allhänger des Humanismus, so als einer der ersten schon 1502
Hermann Yon dem Busche , genannt Hermannus Eusebius
Pasiphilus. Ludwig Geiger nennt ihn den Klassiker des
deutschen Humanismus, dessen Schriften nach Form und In-
halt noch heute lesenswert seien. Er war 1468 in Westfalen
geboren und entstammte einem ritterlichen Geschlechte. Seine
erste Bildung empfing er in der berühmten Schule des Alexan-
der Hegius in Derenter. Dann ging er über Heidelberg und
Tübingen nach Italien, wo er sich fünf Jahre bis 1491 auf-
hielt. Er erwarb sich dort eine gediegene Kenntnis und grosse
Gewandheit des Latein und verfasste dort zwei Bücher Epi-
gramme, in duuüii \ atorhuidsliebe, Begeisterung iür die neuen
Studien und ein frommer Sinn sich äusserten. Uber Paris
kam er 1494 nach Köln und begann nun als erster huma-
nistischer Wanderlehrer, der Zeit und Kraft auf die Ver-
breitung der neuen Wissenschaften verwandte, eine durch
glänzenden Erfolg belohnte jahrelange f^ahrt durch Deutsch-
land. 2iirgends lange verweilend, durchzog er das ganze nörd-
liche und westliche Deutschland; über Hamm, Münster, Osna«
brück, Bremen, Hamburg, Lübeck, Wismar kam er 1601 nach
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10 IMe ITiuTenititw Lnpsig und Wittenberg im XVX. Jahrhandwt.
Bostook, WO er seinen ersten Znsunmenstoae mit den Schola-
stikern hatte. Uber Greifswald erschien er dann 1608 in
Wittenberg, doch treffen wir ihn schon im nächsten Jahre
wieder in Leipzig, wo er endlich für einige Jahre zur Bnhe
kam. Neben Busch werden uns noch als Humanisten in
Wittenberg genannt Sbrulius und Otto Beckmann. Aber auch
hier in Wittenberg waren die humanistischen Vorlesungen nicht
obligatorisch, noch 1508 finden wir für die Baccalaureats- und
Magisterprüfung noch ganz die alten Leistungen vorgeschrieben.
Auch in Leipzig begannen sich bald die ersten huma-
nistischen Anfange zu regen, und fanden in dem hochgebildeten
Herzog Georg einen eifrigen und verständnisvollen Förderer.
Den kurzen Aufenthalt Petrus' Luders in Leipzig habe ich
schon erwähnt. 1603 nahm der Herzog fiir Leipzig Hermann
Ton dem Busche in seine Dienste, hier Terfasste dieser ein
neues Buch Epigramme, sowie 1604 ein Lobgedicht auf Leipzig
und ein zweites in puellas Lipsienses, was ihm Paulsen — in
seiner Q-eschichte des gelehrten Unterrichts — besonders übel
zu nehmen scheint, der überhaupt alle diese Männer nur als
ein verlumptes G-esindel darzustellen beliebt. Besonders öko-
nomisch veranlagt scheint Busch allerdings nicht geweseu zu
sein; denn er erzählt selbst, dass er sich von den Dichtern,
über die er lesen wollte, immer erst ein Exemplar für die Vor-
lesung irgendwoher habe entleihen müssen. 1507 verliess er
Leipzig und ging über "Wittenberg nach Köln.
In demselben Jahr, in dem Buschius Leipzig verliess, trafen
zwei andere MSnner, Lehrer und Schüleri von Frankfurt a.
Oder her in Leipzig ein , Joh« Bhagius Aesticampianus und
Ulhnch von Hutten. Von des letzteren Aufenthalt in Leipzig
wissen wir so gut wie nichts, er wurde in der bairischen Na-
tion immatrikuliert, und mms spätestens iin i'rübjMltr 1509
LoipzijT wieder verlassen haben, da er schon im Sommer 1509
in Greitswald wieder auftaucht. Aesticampianus, oder wie er
eigentlich hiess, Kack aus Sommerfeld, wurde el)enfalls von
Herzog Georg in Leipzig festgehalten. Er war 1460 geboren,
studierte in Italien und wurde dort vom Papst mit dem
Dichterlorbeer gekrönt , dann hielt er sich in Frankreich auf
und kehrte um die Wende des Jahrhunderts nach Beutsch-
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Die UmTerritKten Leipzig und Wittenberg im XVL Jabrlitmdart 11
land zarüek und begann nun gleich Hennann Yon dem Busohe
während eines Jahrzehntes seine Wanderfahrten durch Deutsch-
land, überall die neuen Stadien Terbreitend. In Freiburg
wurde er auch vom Kaiser als poeta gekrönt. Danu zog er
über Speier, Köln. Basel, Krakau, Frankfurt a. Oder nach
Leijjzig, von dort 1511 über Freiberg nach Wittenberg, wo er
sich eng an Luther und Melanchthon anschloss. In Leipzig
las er eifrig über Pünius, Lmus, Flautus, üoraz, Virgil,
Marcianus Oapella, Cicero, Tacitus und Hieronymus und hatte
sich bahl durch sein keckes Auftreten den Hass der gesamten
alten Bichtang zugesogen. Alle möglichen Schwierigkeiten
wurden ihm in den Weg gelegt, zuletzt verschlossen ihm sämt-
liche Flaknltäten ihre Hörsäle. Als Grund wird in einem der
Dnnkelmännerbriefe erzählt, Aesticampian habe erklärt, ein
poeta sei mehr wert als zehn Leipziger Magister. Ein Aus-
spruch, mit dem er, wenn man die Berichte von 1502 ver-
gleicht, nicht so sehr Unrecht gehabt haben mag. Weiter habe
er gesagt, so erzählt der Duakelmannbrief, die Leipziger seien
nicht ^lagi^iter in den 7 freien Künsten, sondern ..in spptem
peccatis mortalibus". Als er sich durch die Verweigerung der
Auditorien in seiner Lehrthätigkeit gehindert sah , griff er in
einer kecken Rede seine Leipziger Gkgner mit beissendem
Spotte an, er yerglich seine Leistungen, deren er sich aller-
dings rühmen konnte, mit ihren kläglichen und erklärte, dass
er Leipzig freiwillig verlasse. Infolge dieser Bede wurde er
Ton der Universität auf 10 Jahre relegiert.
Nach diesen Vorgängen hatte Herzog Georg bei einer
erneuten Uutersucluing der Verliältnisse seiner Leipziger Uni-
versität Gelegenheit , sich davon zu überzeugen, dass sich hier
trotz seiner Reformen so gut wie nichts geändert. Die Theologen
lebton narli wie vor auswärts; duristen und Mediziner gingen
mehr ihrer l'raxis nach, als den Vorlesungen obzuHegen; die
Konkubinenwirtschaft stand im schönsten Flor, weil keiner ,.der
katzen dje schellen anhangen" mochte, und die Nichtfakultisten
klagten nach wie vor Über Zurücksetzung. Seit Aestikampians
keckem Auftreten war die Kluft zwischen der alten und neuen
Richtung in der philosophischen Fakultät inmier grösser ge-
worden. Die Alten lasen vor immer leerer werdenden Bänken
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12 X^ie Univenitiiten Leipzig und Wittenberg im XVI. Jahrhundert.
fast nur über Thomas Ton Aquino imd seinen Haupterklärer
Job. CapreoluS) während ein grosser Teil der jungen Magister
in die Bahnen der Yerhassten „Poeten" eingelenkt war. Ver-
gebens wiesen die Alten auf die Geßthrlichkeit der neuen
Studien hin, durch welche die Studenten nur Liebesabenteuer
und Unzucht lernten, die sie dann in jugendlicher Hitze und
Neigung in die That umsetzten. Herzog Georg blieb trotz deiv
artiger herzbeweglicher Klagen der neuen Richtung p^ewogen.
Jetzt begann man auch Terenz in Leipzig zu erklärLn, und
1514 wurden unter Leitung des jungen Maeristers Lemberger
Komödien Yon Plautus uud Terenz auf deui ßatbause durch
Studenten aufgeführt. Ebenso begann 1515 in Leipzig das
intensivere Studium des Griechischen. Freilich hatte schon
Buschius 1504 die Anfangsgründe desselben vorgetragen, aber
über diese war man bisher in Leipzig nicht hinausgekommen.
Jetzt, im Jahre 1515 berief der Herzog den ausgezeichneten
Gräcisten Richard Grocus nach Leipzig. Dieser war in London
geboren während der Begiening Heinrich VII.; er studierte
unter Aleander in Paris, ging dann nach Loewen und Köhl
und 1515 wegen der von Mutian ihm gerühmten Leipziger
Bibbotliek nach Leipzig; er erschloss luer erst die Kenntuis
des ganzen Griechisch. 1519 wurde er nach England zurück-
berufen als Nachfolger des Erasmus an der Universität Cambrigde.
In Leipzig wusste er sich leidlich mit den Vertretern der alten
Bichtung zu stellen , die Herzen der jungen eroberte er sich
im Fluge. Zu seinen Schülern gehören so bedentr^nde Männer
wie Magister Veit Werler, Magister Helt, Oreutziger und
Camerarius, 1517 erschien neben Grocus ein zweiter Gtäcist
in L'eipzigy Petras Mosellanus, eigentlich P« Schade; er wurde
in Bruttig ia der Moselgegend 1493 geboren, studierte in Köln
und trieb schon dort griecluBche Studien, unter Oroeus Ter-
vollkommnete er sich in diesen Studien und wusste sich schon
neben ihra einen Kreis von Zuhörern zu verschaffen. Nach
Grocus' Weggang wurde er sein Nachfolger in der griechischen
Professur. Damit war mit enier gleichzeitig eintretenden
Änderung des Studieni^lanes, in welchem jetzt auch die huma-
nistischen Studien aufgenommen wurden, Leipzig für den
Humanismus gewonnen.
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JXe UniTenitiiten Leipzig and Wittenberg im XV L Jalurhundert. 13
Wählend aber in Leipzig die Theologen und immer noch
ein grosser nnd gerade der zünftige Teil der Philosophen an
dem Alten festhielt^ war man in Wittenberg unter Lnthers und
Spalatins Leitung viel radikaler vorgegangen. Ich fasse mich
mit Absicht über diese Vorgänge in Wittenberg bedeutend
kürzer, weil sie viel mehr bekannt sind. Hier verdrängte Luther
rlurch das neue Testament und Augustin zuerst unter dem
Widerstand, bald aber der allgemeinen Zustimmung seiner alten
scholastischen Kollegen den Thomas und Aristoteles. 1517 wurde
Aesticampian für eine „lectio Plinia" nach Wittenberg berufen.
Am 30. März 1618 wandte sich der Kurfürst auf das Drängen
Luthers an Beuchlin mit der Bitte, ihm einen Grädsten und
Hebraisten zu senden. Als ersterer traf 1618 Mdanchthon,
der Grossne£Fe Beuchlins, in Wittenberg ein. Sein Erfolg war
ein kolossaler; er las oft Tor einem Auditorium von 500—600
Zuhörern. Einige Monate nach Melanchthou langte auch der
Hebraist Job. Böschenstein in Wittenberg an. dieser enttäuschte
jedoch die auf ihn cresetzten HotVnungen sehr, er blieb nur
zwei Monate in Wittenberg ; nach seinem J''iii tgang übernalim der
unermüdliche Melauchthon auch seine Vorlesungen. Nun be-
mühte man sich in Wittenberg um einen neuen Lehrer für das
Hebräische^ ausersehen war dafür Oellarins aus Heidelberg,
aber die Verhandlungen mit ihm zerschlugen sich, und es gelang
Herzog Georg, Cellarius für Leipzig zu gewinnen.
Die im Jahre 1519 zwischen Eck, Karlstadt und Luther
in Leipzig stattgefundene Disputation übergehe ich hier auch,
weil ihre Geschichte und Ausgang allgemem bekannt. Hosellanus
hatte die Eröffnungsrede gehalten. Nach derselben, nachdem
er trotz des grössten AViderstandes der Leipziger Theologen
zum haccalaureus theol. promoviert war und S.-S. 1520 sogar
zuiti liektor der Universität erwählt worden war. bocrann er
sich dem JStudium des neuen Testamentes und der patristischea
Litteratur zuzuwenden und hielt unter grossem Zulauf Vor-
lesungen darüber. Obgleich nie ein unbedingter Anhänger
Luthers, n&herte er sich ihm doch oft in einer für Leipzig
nicht ang&ngigen Weise, da ja Herzog Geoig m den bitteisten
Gegnern Lnthers gehdrte. Dieser Zwiespalt verdunkelte die
leisten Lebenstage Hosellans, vergebens hatte er sich immer
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X4 -L^^e UmverfiitäteD Leipzig und Wittenberg im XVI. Jahrhundert.
wieder am eine An&te11aB|s^ in Wittenberg bemüht, es war ibm
nicht geluü^^eij, dortlim zu gelangen. Wer weiss, ob nicht doch
Mosellan schUesslich noch den fortwährenden Verdächtigungen
der Leipziger Theologen bei Herzog Georg zum Opfer gefallen
wäre, wenn er nicht 1524 am 19. April gestorben wäre.
Melanchthou weilte an seinem Sterbebette, er schrieb darüber:
„Sein Tod ist ein schwerer Verlust für die Wissenschaft, denn
seine Gaben waren ausserordentlich^'. In die Hektoratsakten
Leipzigs aber sehrieb der damalige Bektor Beuech hinter die
Itotiz Ton semem Hinscheiden : „preter etatem in utraque lingoa
peritiesimuSy gymnasii noetri snprema colmnna*'.
Damit sind wir zum Abschittss gelangt; wir haben gesehen,
wie in beiden XJniTersitäten die hnmamstische Bichtang zum
Siege gelangte, wie sie aber auch sofort danach von der jüngeren
Bewegung der Reformation an die zweite Stelle gedrängt wurde,
nur mit dem einen Unterschiede : Wittenberg blühte empor, weil
sich in ihr die neue Theologie frei entfalten durfte, rn Leipzii^
legten die Anbänger des Neuen, entmutigt durch den Tod ihres
Jß'übrers, das griechische neue Testament aus der Hand und
wandten sich anderen Wissenschaften, der Jurisprudenz und
Medizin zu, die alte Theologie war ihres gefahrlichen Gegners
ledig, aber ihre Hörsäle füllten sich deshalb nicht wieder«
Erst nach Herzog Gkorgs Tode führte Camerarius eine neue
Blttte der klassischen Stadien in Leipzig herbei, und erst nach
dem Einzug der Beformation begann Leipzig sidi langsam
wieder zu heben, stand aber bis in die Mitte des Jahrhunderts
hinter Wittenberg weit zurück.
Es ist eine grosse Zeit, die wir eben haben an uns vor-
überziehen lassen, gross und ychüu! Und wohlherechtigl war
der jubelnde Zuruf ihres eigenartigsten und vielseitigsten Sohnes,
den D. Strauss in seinem köstlichen Buch mit Kecht dem
deutschen Volk als einen Heros vor die Seele gestellt hat, als
er seiner Zeit zurief: Jahrhundert, die Stadien blühen, es
ist eine Lust zu leben!"
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IL
Die Verwaltung und Organisation der
. Universitäteu Leipzig und Wittenberg
licicli dem Codex Augusteus.
Die Gründungen der beiden UnivenitateD Leipzig und
Wittenberg sind dnrch einen Zeitraum von beinahe 100 Jabren
von einander getrennt. Die Stiftung der Universität Leipzig
im Jahre 1409 fällt in die erste Epoche deutscher Universitäts-
gründuiiizen . die Ursachen für sie sind bekannt. 40 Magister
und Doktoren uehst 400 Baccalaureen und Studenten wandten
sich 1409 TOn Prag nach Leipzig, sie bildeten den Grundstock
der neuen üniTeisität. Die Organisation derselben beruhte noch
ganz und gar auf dem Prinzip der Eintailnng nach Nationen.
AndeiB bei der 1602 in Wittenberg begründeten Unirerai-
tftt, deren Stiftong in die zweite Epoche der dentedien Uni-
▼enit&tegründnngen fSllt Die Oigamsation dieser Emesti-
nischen UniTersität bemhte ganz auf modemer Grundlage,
auf den vier Fakultäten; das Einteilungsprinzip nach Nationen
hat iuer uie bestandeii.
Schon aus dem hier Gesagten ergiebt sich, dass die Organi-
sation und die Verwaltung der b» id* n Universitäten m;m('!i(Tlei
Ai)\veichungen von einander zeigen müssen. Dazu kommt noch,
dass beide bis 1547 verschiedenen Territorien angehörten.
Dennoch aber sind die AbweichuDgen nicht allzugross, wenig*
stona tieton sie im Codex Augusteus nicht sehr in den Yorder-
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16 Dit YerwAltimg der Univenttaten Leipoig u. Wittenbefg.
gmnd, besonders woU deshalb, weil ans dem XV. und auch
noch aus dem XYI. Jahrhundert nicht allzu reichliches Material
in ihm Torhanden ist, das vielmehr erst mit Toller Wucht
am Ausgang des XYI. und dann im XYIL Jahrhundert
einsetzt.
Wie schon gesagt, beruhte die Organisation der 1409 ge-
stifteten Universität Leipzig ganz auf dem Prinzip der Nationen,
während Wittenberg nach Fakultäten allein organisiert war.
Die Universität Leipzig wurde 1409 in vier Nationen gei^liedert,
die Meissner, Sachsen, Baiern und Polen. Diese standen sich
bei allen Konzilien der Uniyersität, Konventen etc. volikommen
gleichberechtigt gegenüber. Nicht nur die Studenten, sondern
auch die Docenten rangierten sich in diese Nationen ein.
Jede Nation stellte eine bestimmte Anzahl Magister^) für das
Collegimn minus. Aus den Nationen wurde der Beihe nach
der Rektor gewählt. Ebenso bestellte jede Nation eines ihrer
Mitglieder als Oonciliarius oder Assessor des Bektors und je
drei ihrer ältesten, vornehmsten und erfahrensten Personen zum
Concilium perpetuum. ^) Ausserdem hatte aus jeder Nation
ein treuer Mann einen der Schlüssel zu dem Gewölbe, in dem
der Kasten mit den Einnahmen der Universität stand. ^)
An der Spitze jeder Nation steht der Senior derselben,
er führt die Rechnungen seiner Nation und übergiebt diese
nach der Verordnung Yom 1. Januar 1580 schriftlich den
Deputierten des Concilium publicum und den Kommissaren
des Kurfürsten.^) Später, im Jahre 1616, sehen wir, dass
diese Rechnung nur dem Bektor suae nationis von dem Senior
Torgelegt werden braucht, die dann Ton dort an das Ober-
konsistorium gesandt wird. Auf diese Weise bleiben die Yer-
mögensYerhältnisse jeder Nation ein Geheimnis derselben.
Diese letztere licbtiiumung, dass die Reclinuug der Naüon nur
dem Rektor suae nationis vorgelegt werden brauchte, war auf
eine Beschwerde der Nationen getroffen worden, nachdem vorher
1) Cod. Aug. I. p. 905 f.
•) 0. A 1. p. 728 f.
«) C. A I. p. 769 f.
«) 0. A I. p. 760 f.
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Die VerwAltu^ der UniTwntitteii Leipzig und Wittenberg. 17
Torf> worden war, daas diese Bechnimgen jährlich dem Bektor
und den Dekanen vorgelegt werden sollten.*)
In "Wittenberg traten an die Stelle der hier fehlenden
Nationen ganz und gar die Fakultäten, in sie gliedern sich
Studenten und Docenten. Hier stehen die Dekane dem Rektor
bei dpr Leituner der Universität zur Seite, wie dort die Ab-
geordneten der JSationen. Hier haben die Dekane die Schlüssel
zu dem JBii&nahmekasten der Uni?ei8ität, sie führen die Ein-
nahmen und Ausgaben derselben.^ Der Kektor und die
Dekane haben hier die Expedition aller geistlichen imd welt-
lichen UniTersitätssachen. ^
Anch in Leipzig sind von Anbog an Fakultäten wohl
Torhanden gewesen, wenn auch noch nicht vollkommen ans*
gebildet ; so wird 1409 von der facultas artium geredet, ") aber
sie haben nicht den Einfluss auf die äussere Verwaltung der
Universität gehabt wie in AVuttenberg, weil eben in Leipzig sie
in dieser Hinsicht durch die Nationen ersetzt wurden. — Alles
übrige über die innere Organisation und die Aulgaben der
Fakultäten siehe unten.
An der Spitze der Universität steht der Bektor, er wird
für die Dauer eines halben Jahres aus den Nationen der Reihe
nach und durch dieselben gewählt, in Wittenberg aus den
Fakultäten. Er darf nicht unter 35 Jahr alt sein, er muss
mindestens ein Doktor, Lioentiat oder Magister sein und einer
Fakultät angehören , möglichst soll er ein F^fessor der XJni-
Tsisit&t sein. Er soll sich auszeichnen durch Gbttesfhreht,
Oeschicklichkeit, guten Verstand, ehrbares, standhaftes Gemüt
und eingezogenen christUcheu Wandel. Auch die Eigenschaft
eines Professors als Leipziger Bürger schliesst denselben nicht
vor dem Rektorate aus. aber auch hohe Standesperson tu können
zum Rektor gewählt werden. Tn letzterem Falle wd diesem
der gewesene Rektor oder ein anderer Professor als Vizerektor
beigegeben. ^) In Wittenberg erfolgt die Wahl in der Sakristei
») C. A. I. p. 916 f. u. p. 921.
•) C. A. I. p. Ibd f.
^ 0. A. Z. p. 968 ffl
•) 0. A. I. p. 906 f.
•) 0. A. I. p. 716«.
BrttohmSlleri Beitittga.
8
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18 Die Verwaltnxig der Umvemtaiea hexpag imd Wittenberg.
der ScbloBskirche, der Rektor rnnss dabei geloben, sein Amt
nach bestem Vermögen za führen nnd der Universität Nutzen
zii fördern.
' Der Bektor ist der ^Hanpt- und Generalinspektor" der
Universität y er hat die Oberanf sieht über den Eiskus der
Uniyersität und ihre sämtlichen Institute , Kollegien, Stipen-
dium etc., die er mindestens einmal jährlich visitieren muss.
Er hat die Expedition aller geistlichen und weltlichen L niversi-
tätssachen, er hat über die iura, privilegia. immunitates und
bona der Universität zu wachen. Au ihn gehen die kurfürst-
lichen Befehle etc. ein, die er der ganzen Universitiit mitzuteilen
hat. Er unterschreibt und uutersiegelt mit dem Universitäts-
stempel die im Namen der Universität abgesandten Berichte,
er hat die Aufsicht über die Disziplin der Professoren und
Studenten, er hat dafür zu sorgen, dass fttr die Kinder ver-
storbener Professoren Vormünder bestellt werden, und dass
sich bei der Wiederrerheiratung der Witwen diese mit den
Kindern ordnungsmassig auseinandersetzeu.
Der nächsthöchste Beamte nach dem Rektor ist an der
Universität dem Kaugo nach der Kanzler. De facto nimmt er
fast eine dem Rektor in mancher Hinsicht übergeordnete
Stellung ein. Er ist eine Art KontrollheHiuter für den Rektor
und die ganze Universität. Seine Funktionen sind nicht scharf
begrenzt und gestatten ihm, überall hin seinen EinÜuss geltend
zu machen.
Der Kanzler muss aus der theologischen Fakultät ge-
nommen werden, sein Amt ist ein lebenslängliches. Er wacht
über die Fdrilegien, Immunitäten und Freiheiten der Uni-
Tersität und die Inndialtung der Universifötsstatuten, wie über
die Einigkeit unter den Professoren in der Lehre etc. !Mxt
Hilfe des Bektors und Senates hat er iilles Statutenwidrige
abzustellen; Zuwiderhandelnde kann er vor sich laden und er-
mahnen. Hilft diese Ermahnung nichts, so hat er mit Rektor
und Senat das Nötige zu verfügen. Er hat auch darauf zu
sehen, dass bei den Examina kerne Unordnungen vorkommen,
oder die akademischen Grrade Unwürdigen gegeben werden.
1») 0. A. Lp, ms. a. p. 91Ö iL
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Die Verwaltong der üniTenii&ten Leipzig und Wittenberg. 19
Er bat ein Yeizachnis sämtlicher VorlesnngsTenänimiisse seitens
der Professoren zu fahren nnd darüber den kurfuistlichen
perpetuierlichen Kommissaren Bericht zu erstatten. Gegebenen*
falls kanD er sogar den Rektor und den Senat vor sich laden
und vermaimeu u.ud , wenn dies nichts hilft, seine Beschwerde
über dieselben an die kurfürstlichen perpetuierlichen Kommis-
sare oder den Kurfürsten selbst einreichen. ^ ^)
Ein dritter Universitätsbeamter ist der Syndikus. Über
seine Stellung und sein Amt lässt sich aus dem Codex Au-
gostens kein klares Bild geiHnnen, da wir nur zwei kurze Be-
merkungen über ihn haben. Nach einer Stelle aus einem
Visitationsdekret der Universität Leipzig Tom Jahre 1616^*)
nnterschveibt er mit dem Bektor und den Tier Dekanen die
in der üniTersität Namen abgesandten Berichte und mit den
Dekanen der drei oberen Fakultäten die Eechnung des Eiskns.
Nach dem Visitationsdekret der üniyersität Wittenberg vom
Jahr 1624 erledigt er mit dem liektor allein die geriiigeren
UniTersitätssachen.
Um den Rektor in seiner Amtsführung zu unterstützen,
erhält dieser, wie schon oben erwähnt worden ist, aus jeder
Nation einen Conciliarius oder Assessor zugeordnet. Mit Vor-
wissen und Rat dieser vier Assessoren — in Wittenberg mit
den Tier Dekanen — hat der Rektor bei allen wichtigen An-
gelegenheiten zu handeln. Über ihre gemeinsame Thätigkeit
wird ein Protokoll geführt und darttber dem Ooncilium pnbli*
com referiert. Bei bedenklichen Angelegenheiten ebenso bei
allem, was Güter, Einkünfte und Gerechtsame der ÜniTersität
betrifft, dOrfen der Rektor und seine Assessoren nicht allein
handeln ; sondern müssen sich an das Ooncilium perpetuum
wenden . doch soll dieses uicht mit Geringfügigkeiten bemülit
werden.
Dieses Ooncilium perpetuum, publicum, oder der Senat
setzt sich nach den Ordnungen Tom 1. Januar 1580 folgender-
") C. A. I. p. 716 u. p. 762 ff. Verordniingeii yom 1. Jan. 1680.
»•) a A. I. p. W6C
>«) C. A L p. 969 ff.
^) C. A. 1. p. 788 £ Verordnungen TOm 1. Jan. 1680.
2»
20 IHe y«nraltaDg der UaiTenitiiten Leipzig ond Witteobeig.
massen zusamnien : 1. Aus je drei Yeitretem der Tier Na-
tionen, also im ganzen zwölf. 2. Ans dem Rektor, dem Kanzler,
dem Ordinarius der Juristenfakultät und den Dekanen der
drei oberen Fakultäten. Dieses Concilium perpetuum hat neben
dem Rektor und dem Kanzler das Ganze zu leiten. In allen
wichtigen Angelegenheiten hnbea sich der Rektor und seine
Assessoren, wie schon bemerkt, au dieses zu wenden. Das
Concilium ist möglichst an solchen Tagen zu berufen, an denen
nicht gelesen wird; mindestens rnuss jedocli einmal und zwar
am Ende jedes Monats eine Sitztmg desselben stattfinden, in
der ihm ttber den Monat Bericht erstattet mrd. Der Personen»
stand des Conciliums soll möglichst wenig verändert werden.^^)
Sind die Angelegenheiten so wichtig und schwerwiegend,
dass auch das Concilium perpetunm sie nicht sdlein zu ent-
scheiden wagt, so muss das Concilium der ganzen Universität
berufen werden, jedoch soll dies nux möglichst selten ge-
schehen.
Im Anschluss hieran sollen noch einige ünivei sitiitsunter-
beamte erwälint werden. 1536 in der Fundation der Universität
Wittenberg werden ein Notar und zwei Pedelle genannt, sie werden
Ton der Universität mit Stimmenmehrheit gewählt und können
auch von ihr wieder entlassen werden, ebenso wie die Beamten
der einzelnen UniTersitätsinstitnte z. B. der Ökonom der Korn-
mimität. Der Notar fährt bei den Beratungen des Rektors
mit seinen Assessoren das Protokoll eto. Als Gehalt eriiftlt
er jähriich 50 Gulden, die beiden Pedelle je 20 Ghdden, die
ihnen in 4 Raten ausgezahlt werden. Ebenso wird 1536 ein
Verwalter liir die Uuivorsitätstjiiikänfte bestimmt, ihn ernennt
ebenfalls die Universität; sein Gehalt sind 80 (4ulden.^') Ausser-
dem haben diese Beamten, wie 1716 verfügt wird, Freiheit von
der Generalaccise.^*)
Ist uns schon im Kanzler der Universität ein Beamter
entgegengetreten, der gewissermassen nur zur Kontrolle der
eigentlichen Umversitätsoigaoe bestimmt war, der aber doch
") C. A. I. p. 722 f.
C. A. I. p. 722 f.
C. A. L p. 965 ff. u. p. 969 £f.
0. A. L p. STO-T9.
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Die YerwAltuag der UniTenit&teo heapng und Wittenberg. f\
als Mitglied der theologischen Fakultät selbst zum Gkuazen der
UniTersitat gehörte, so gab es ausser ihm noch 3 TollstSndig
anaserhalb des Umyersitätsverbandes stehende Behörden, denen
eine Konkolle der üniTorsität zostand, und die dem ganzen
Verwaltongsorgamsmus der Uniyersität übergeordnet waren.
Es sind dies 1) das Oberkonsistorium in Dresden und 2) die
perpetuierlichen Kommissare des Kurfürsten.
Das Oberkonsistorium hat nach den Ordnnnp^en des Kur-
farsten August vom 1. Januar 1580 sein Augeiiinerk besonders
auf die Erhaltung der remen und unverfälschten Lehre in
beiden Universitäten zu richten. Ausserdem hat es noch die
Oberaufsicht über die beiden Stipendien in Leipzig und Witten-
berg, damit dieselben mit qualifizierten Personen besetzt und
die Ordnung dort erhalten bleibe^ dass die Wohnungen baulich
bleiben, und die Berichte Über die daselbst abgehaltenen
Quartalsezamen ihm regelmässig eingereicht werden. Ausser-
dem sollen sie die Präceptoren und Schüler bei ihren yer-
schiedenen Anliegen unterstützen, etc. An das Oberkonsistorium
gehen auch die Beschwerden der Stipendiaten gegen Rektor,
Professoren und Präceptoren, doch müssen solche von dem
.»ma^rister domus" und den Superinteudenteii des iStipeudiums
nütunterzeichnet sein, ausser wenn sich die Beschwerden gegen
diese letzteren selbst richten.^*)
In den Ordnungen vom 1. Januar 1580 werden auch zum
erstenmal die peipetuierlichen Kommissare des Kurfürsten er-
wähnt^ welche neben dem Kanzler dazu eingesetzt sind, um
darauf zu sehen, dass die kurfürstlichen Verordnungen auf den
üniyersit&ten auch wirklich innegehalten werden. Sie sollen
zu diesem Zweck wenigstens einmal jährlich die üniTersität
visitieren und darüber schriftlich an den Kurfürsten berichten.
Die beiden Küminiösaie waren der Oberhofrichter uiul ein
adliger Assessor des Hofgerichtes. Sie berufen jährlich einmal
den Kanzler, Kektor und das Concilium perpetuum vor sich
und befragen diese, ob den statutis nachgelebt werde, ob irgend
welcher Zank oder Streit im Inneren oder nach aussen bestehe,
etc. Liegen Streitigkeiten vor, so sollen die Kommissare diese
^) C. A. I. p. 642, M6.
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33 Die VerwaltuDg der UiÜTenitäteik Leipcig und Wittenberg.
beizulegen sucben ; haben sie damit aber keinen Erfolg, so sollen
sie mit dem Kanzler darüber an den Kurfürsten berichten.
Ausserdem baben sie die Jahresreclumngen der XJniTersitat»
Kollegien, Fakultäten und Stipendien zu prüfen, unnötige Aus- ^
gaben nicht zu dulden und Einnahmen nicht veisäumen zu
lassen.'^) Freilich gab es trotz ihres Namens keineswegs immer ;^
peqjetuierliche Kommissare für die Universitäten, so wird 1614 >
und 1616 ausdrücklich bemerkt, dass der Kurfürst solche noch :
nicht verordnet habe, weil er hoffe, dass die Universitäten auch
ohne sie den Visitationsordnun^^en nachleben würden.'®*) -r
Uber die Einkünfte und das Vermögen der Universitäten j
werden wir durch den Codex Augusteus nur wenig unterrichtet.
1409 werden für die Universität Leipzig als ein „Stipendium
seu salarium*^ für die 20 Magister zu Gkbältem 600 fi. jährlich :{
Ton der kurfürstlichen Kammer ausgeworfen.^*) 1543 werden ^
dieser Summe durch Herzog Horitz weitere 2000 Gulden jähr- an
lieh hinzugefügt aus erledigten geistlichen Gütern. Ausserdem :^
eriiält die Universität das Paulinerkloster geschenkt.*') Witten- zm
berg braucht nach der Fundation vom Jahre 1636 an Ge-
hältem 3795 Gulden jährlich, dafür erhält die Universität die >>;
Einkünfte der Stiftskirche in Wittenberg mit einer jährlichen . ^
Einnahme von 2560 Gulden 1 Groschen. Um das Ueüzit 7ai ^
decken erhält die Universität dann noch jährlich 500 Gulden
aus den Klöstern des Kurfürstentums, 700 aus denen Thüringens,
und 700 aus den Meissnischen. Mit den noch weiteren Ein-^jj^
nahmen der Universität aus Promotionen, der Vermietung derj;^^^
Koliegienwohnungen etc^ soll sie die übrigen Ausgaben selbsij^^
decken und besonders die Kollegiengebäude baulich erhalten.^'^),^^^
Häufig sind die Klagen der XJmyersitäten über nicht ge-
zahlte Zinsen etc. und die Versprechungen der Landesherren,« ,
zu ihrer Eintreibung behilflich zu sein. Manchmal freilicb^^
werden auch die Universitäten mit diesen Klagen abge wiesei, ^
^) C. A. I. p. 479, 721 flf. ' ^
C. A. I. p. 916 fiL ^
"*) G. A. I. p. 905 f. Natt
0. A. I. p. 14. "
•«) C. A. I. p. 9fi6ff. f^J>.
C. A. L p. 956ff. ^^P.
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Die Yerwaltang der üniyerntaten Leipsig und Wittenberg. 28
und ihnen geraten, sich selbet besser nm die Eintreibung der
Zinsen nnd Gefalle zu bekümmern. In der Absicht^ die UniTer-
sit&t bei ibren Einkünften zu erhalten, sind auch zwei Ver-
ordnungen Kurfürst Augusts und Kurförst Johann Gteorgs IL^^)
erlassen; diese bestimmen^ dass für ümyersit&ten Zinse und
LeistuDgen erst als verjährt zu betrachten sind, wenn sie 40
Jahre lang nicht erhoben oder geleistet worden sind, während
sonst nach sächsischem Recht 30 Jahre hierzu genügten. Die
zweite VerfügUDg besagte, dass bei "Rnukerotten die Zinsen der
Kirchen, Universitäten etc. eher gezahlt werden sollten, als
die Kapitalien der anderen Gläubiger gedeckt wären.
Die Schlüssel zu dem Kasten mit den Einnahmen der
üniTersität haben in Leipzig 1680, wie wir schon gesehen
haben, 4 Vertreter der Nationen, in Wittenberg die 4 Dekane,
sie verwalten ein Jahr lang die Einnahmen und Ausgaben und
legen am Schluss den kurfürstlichen Kommissaren und den
Delegierten des Concilium publicum Rechnung. Kopien der
Rechnungen werden jährlich an die kurfürstliche Renterei ein-
gesandt.'^') 1614 findet sich insofern eine Änderung hierin in
Wittenberg, als vou den jetzt vorhandenen 5 Schlüsseln einen
der Rektor, zwei die Dekane und zwei die Senioren der Fakul-
täten haben, welchen letzteren jetzt ein Anteil an der Ver-
waltung des Uniyersitätsfiskus eingeräumt ist, wohl um durch
sie ein stabileres Element in diese Verwaltung zu bringen,
als durch die jährlich wechsehiden Dekane allein möglich war.
Jetzt liegen auch die Rechnungen jährlich 8 Tage für die ganze
üniTersitat zur Einsichtnahme aus. Sie werden dann in pleno
consensn approbiert, von dem Rektor, den Dekanen, Senioren
und dem Notar unterschrieben, mit dem TTniTersitStssiegel
untersiegelt und der kurfürstlichen Renterei eingesandt.-*^) Für
Leipzig wird 1624 von Kurfürst Johann Georg I. verordnet,
dass der Rektor vor Weihnacbt(m alle Rechnungen der Ge-
samtheit der Professoren vorlegen, sii von ihm u rektifizieren
und untersclireiben lassen soll, worauf ein Exemplar davon an
das Oberkonsistorium und eins an die kurfürstliche Renterei
C. A L p. 85 und 298.
•») C, A. L p. 7211, 78» f.
C. A. 1. p. 968 f.
Digitized by Gov.'v.i^
94 ^ Yerwaltaog der UniTenit&iea Leipag und Wittenberg.
eingesandt wird.^*) Dieselbe BestimmuDg findet sich 1668 für
Wittenberg, nur dass jetzt die Eecbnungen um Martini fertig»
gestellt und zuerst von den Senioren und Dekanen, dann tob
allen Flrofessoren durchgesehen werden müssen, worauf sie im
Beisein aller Professoren zu justifizieren sind.'*^)
Nadidem wir so den Verwaltungsappazat der üniversität,
wie er sich aus dem Codex Augusteus darstellen ISsst, kennen
gelernt haben, wollen wir noch einen kurzen Blick auf das
werfen, was yviv aus dem Codex Aiigusteuti iiber die StelluDg
der Universität zu dem Oberhofgericht und überhaupt als
Korporation nach aussen, wie über die Universitätsgerichts-
barkeit erfahren können.
Alle an der UniTersität Leipzig Studierende stehen nach
einem Eeskript Kurfttrsts Christian I. yom 22. August 1590,
auch wenn sie an einem anderen Orte ein Vergehen yerübt
haben, unter der Jurisdiktion der UniTersität und sind an diese
zum Verhör und Bestrafung auszuliefern.*^) Auch im Falle
eines Totschlages hat die UniTersität die Jurisdiktion über bei
ihr immatrikulierte Studenten, nicht der Bat der Stadt
Leipzig, der sich z. B. 1649 das peinliche Halsgericht über
einen Studenten angemasst hat.^^) Duck soll m tnivm solchen
Fall die Universität mit Ernst vorgehen, ihr Urteil an den
Kurfürsten einsenden und seinen Bescheid darüber abwarten.
Bei izei iugerr n Injurien und Beleidigungen steht die Entscheidung
ganz und irar dem ilektor und dem Ooncilium academicum zu.
Ausserhalb der Universität aber bleibt die Untersuchung in
diesem Fall der Obrigkeit des Ortes, wo der Delinquent ergriffen
worden ist^^) Einer Appellation Tom Bektor an das Oberhof-
gericht hat sich der Rektor zu fägen, wie überhaupt das Corpus
Urdversitatis als Gkrnzes unter dem Oberiiofgericht steht,
während die einzelnen UniTersitätSTerwandten nur in ganz be-
stimmten Fällen unter demselben stehen.'^) Doch wird 1680
" ») C. A. I. p. 969 ff.
**) C. A. I. p. 981 £f.
C. A. I. p. 911.
•*) C. A, I. p. 929 f.
•») G A. 1. p. 927.
**) C. A. I. p. 1801.
C. A L p. 9töf.» 913 VL 915.
Digitized by Cov.;v.i^
lUe Verwaltimg der Umyerntäten Leipzig und Wittenberg. 25
den Studenten in Disziplinarsachen das Appellationsrecht gegen
den Rektor und das Oonoilium academicum wegen Miflsbianchs
genommen.^*)
Häufig waren auch die Beibereien zwischen dem Bat nnd
der Universität Leipzig, wobei die üniTersität die Zugehörigkeit
ihrer juristischen Mitglieder znm Oberhofgericht ungebShrlich
ausnutzte. Hiergegen erliess Kurfürst Johann Qeorg II. 1661
eine Verordnung, wonach die Assessoren des Oberliofgerichts,
die Universitätsmitglieder sind, nicht ohne die übrigen Älit-
glieder des Oberhofgerichtes in Sachen der Universität wider
den Rat und die Stadtgerichte Entscheidungen treüen dürfen.
Zugleich wird i'in anderer Streitpunkt zwischen beiden ge-
schlichtet: stirbt nämlich ein Universitätsverwandter in einem
Börgerhause, so erhält der Bat das Hausgeräte^ ja wenn kein
Erbe vorhanden ist, die ganze Hinterlassenschf^t, nicht die
Universität.'^)
Nachdem wir so die GrUedenmg und Verwaltung der
Universitäten im allgemeinen und ihre Stellung als Korporationen
nach aussen untersucht haben , gehen wir jetzt näher auf das
innere Leben und die Aufgaben der Universitäten , besonders
aui die i'\i.kul litten, das Amt und die Stellung der Professoren,
dieUniversitätsinstitute und die Lebenshaltung der Studenten ein.
Wie schon oben erwähnt worden ist, sind 1409 in Leipzig
P'akultKten vorhanden gewesen, doch waren sie noch nicht voll-
ständig ausgestaltet. So wird zwar eine facultas artium erwähnt,
im übrigen gliedert sich aber der Lehrkörper von 20 Magistern
in ein Collegium majus oder Principum und in ein OoUegium
minus. In dem Collegium majus waren 12 Magister, worunter
ein Magister sacrae Theologiae sein musste; in dem OoUegium
minus waren 8 Magister,'*)
In Wittenberg waren die Fakultäten von Anfang an fest
ausgebildet ; bis wann sie sich in Leipzig vollständig ausgestaltet
hab» Ii . geht aus dem Codex August* us nicht hervor. Feste
Bestimmungen finden wir über sie zuerst in den Ordnungen
Kurfürst Augusts vom 1. Januar 15Ö0.
••) c. A. I p. m
C. A. L p. 240-241.
C. A, L p. 906 t
S6 Die Verwaltang der UniTenitilteii Leipzig und Wittenberg.
An der Spitze jeder Fakultät steht der Dekan. Die Dekane
werden in Wittenberg zugleich mit dem Uektor in der Sakrietei
der Schlosskirche erwählt. Der Dekan nimmt in seiner Faknli».t
die erste Stelle ein, führt das Siegel der Fakultät, unterzeichnet
alle im Namen der Fakultät ausgehenden Berichte und teilt
die kurfiirsilicheii Verorduuiigen an die Fakultät dieser mit.
Alle l'iii likatioDen „per intimatioiiem aut orationem", die von
seiner Fakultät ausgehen, hat der Dekan zu verfassen, ebenso
die im Namen des Rektors ausgehenden ,Jntimationen'*. die
fidch auf seine Fakultät beziehen, ausser, wenn der Rektor selbst
dieser Fakultät angehört. Weiter hat der Dekan den Dispu*
tationen seiner Fakultät beizuwohnen, ihm müssen alle Professoren
seiner Fakultät ihre Disputationen und Scripta vor der Fuhli-
kation zur Zensur übergehen. Kurz, die Dekane haben die
Aufsicht über alle Lektionen, Disputationen und Flromotionen
ihrer Fakultät Die Stellung der Dekane in der GcsamtTer-
waltung der Universität haben wir mm Teil schon besprochen.
Mit dem Rektor haben sie die Inspektion über die Kommunitäten
und Druckereien, über die Kollegia und die Privatpräceptoren
der Studenten. 1616 halien auch die Dekane der H oberen
Fakultäten in Leipzig das Recht erlangt — wahrscheinlich durch
Analogie mit Wittenberg — die Rechnung des UniTersitäts-
fiskus mit zu unterschreiben.
Uber die Wahl zum Dekan erfahren wir aus dem Codex
Augusteus nichts Erschöpfendes. In der medizinischen und
juristischen Fakultät ist 1616 das Amt des Dekans lebens*
länglich. In der theologischen Fakultät geht nach den Ord-
nungen yom 1. Januar 1580 das Dekanat „circulariter^ auf die
Dauer yon einem Jahr unter den Fakultätsgenossen um ; auch
der Kanzler kann, wenn ihn die Reihe trifft, zugleich theologischer
Dekan büin. In der philosophischen Fakultät ist. wie wir an
derselben Stelle hören, das Dekanat nicht nur auf die rrofessoren
beschränkt. Jedoch darf der Dekan nicht unter 30 Jahrp alt
sein utkI muss geeignet sein, den ganzen „cursus studiorum"
seiner Fakultät überwachen zu können. Er hat die ankommenden
neuen Scholaren zu prüfen und ihnen einen Frivatpräceptor
und ihre Lektionen, die sie hören aollen, anzuweisen. Ausser-
dem hat ei die Aufgabe, die Historien der Lande in politischer
Die Verwaltiing der UniTerntaten Leipag und Wittenberg. 27
und religiöser Hinsiclit fleissig zu registrieren und za be-
schreiben.'^
Im Anschlttss hieran gebe ich nooh einige allgemeine Be-
stimmimgen über die Promotionen in den drei oberen Fakul-
täten und über Examina sowie über BÜchercensnr. In den
OrdDimgeu vom 1. Januar 1580 wird verfügt, dass die Unkosteu
bei den Promotionen, über deren Höhe oft geklagt wird, nicht
80 hoch sein soUeu. Fenier soll die Reihenfolge der Grade
streng emgehaiten und keine l^ntüchtigen promoviert werden.
Der Kanzler besonders soll daxauf Acht geben, dass die Examina
mit Fleiss abgehalten werden.*^) 1624 wird verordnet, dass
die unbekannten Kandidaten zu den Examina Geburtsbriefe
Torzeigen sollen,^^) und 1716 auch Zeugnisse, wo sie studiert
und was für KoIIegia sie angehört hatten/^)
1680 hören wir auch in den oft erwähnten Ordnungen
genaue Vorschriften über die prandia, welche die PromoTenden
bei ihrer Promotion zu geben hatten. Ein Licentiat hat da-
nach in allen Pakultäten nur die Doktoren seiner Fakultät ein-
zuladen. Für einen Doktor kommen dazu noch die Professoren
der ganzen Fakultät, das Concilium perpetuum und der regierende
Rat der Stadt. Tat jedoch nur ein Kandidat vorhanden, auf
den nun die Kosten des Schmauses allein fallen, so hat er nur
die Professoren seiner Fakultät, den Rektor und den Kanzler
zu laden.**)
Die erste Bestimmung über Büchercensur im Codex
Augusteus stammt aus dem Jahre 1562>*) Nach ihr muss ein
Buch, ehe es erscheinen darf, von beiden UniYersitaten geprüft
und für christlich und tüchtig approbiert worden sein. Eben-
so wird 1571**) ausdrücklich bestimmt^ dass die Bücher Tor
ihrem Erscheinen dem Rektor und den Professoren beider Uni-
versitäten vorgelegen haben müssen. 16b8 sehen wir dauu, dass
«•) C. A. I. p. 723. 963 ff„ 916 f,, 921.
*•) C. A. I. p. 731 ft.
C. A. I. p. 969.
C. A. 1. p. 378.
♦») C. A. I. p. 738 f.
♦*) C. A. I. p. 406
*•) C. A. L p. 409.
C. A. I. p. 961.
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38 Die V«rw«ltaiig der UniTenitäten Leipzig und Wittenberg.
die Censur je nach den Wissensgebieten, denen das zu censierende
Buch angehört, Sache der betreffenden Fakultät ist, wobei wahr-
scheinlich der Dekan die Verantwortung hatte. Wahrscheinlich
wird auch schon hiennit die den Buchhandel furchtbar er-
schwerende Bestimmiing in Wegfall gekommen sein, dass die
Bücher der Censur beider üniTersitäten unterliegen mussten.
Kkr bestätigt werden diese beiden Vermutungen dann erst in
dem Mandat König Friedrich Augusts vom 24. A|)nl 1717*'),
nach der die BuciiJrucker schwören müssen, keiu Jiuch ohne
Vor wissen und die Unterschrift des Dekaus der betretenden
Fakultät in Leipzig oder Witts iilterg drucken lassen zu wollen.
Die philosophische oder Artistenfakultät bildete eine Art
Vorbereitungsstufe für die drei oberen Fakultäten, die theo-
logische, juristische und medizinische. Ihr musste jeder Stud^t
erst angehört haben» ehe er in eine der drei oberen eintreten
konnte, daher muss die Artistenfakultät in der Betrachtung
der Tier Fakultäten auch vorangesteUt werden. Nach der
Fundation der Universität Wittenberg vom Jahre 1536 sind in
der dortigen philosophischen Fakultät elf Docenten. Von diesen
lesen wücheDlUcIi vier Tage je eine Stunde, nämlich am Montag,
Dienstag, Donnerstag und Freitag, der erste: Hebräisch, der
zweite: Griechisch, der dritte: Foetika, der vierte : Xtreuz und
Grammatik. Zwei Legenten lesen täglich je eine Lektion in
Mathematika. Zwei weitere Docenten lesen täglich, der erste:
Dialektik, der zweite : Rhetorik. Diese beiden haben auch die
Wohnungen in den Kollegien zu vermieten und das Mietsgeld
an den Fiskus abzuliefern, ebenso wöchentlich eine Deklamation
zu halten. Ein neunter Doceot liest täglich Physik, ein zehnter
„in Morali Philosophia", ein Magister liest als elfter Pädagogik.
Der erste und zweite erhalten jährlich ein Qehalt von
100 Gulden, die nächsten acht 80 Gulden und der elfte 40 Gulden,
welche Gehälter in vier Eaten zahlbar sind.
Jeden Sonnabend findet abwechselnd eine Disputation oder
eine Deklamation statt: alle Prolesboren imd Magister sind
solche zu halten verpliichtet. Die Lektoren der Dialektik,
Kketorik, des Griechisch und des Terenz müssen Deklamationen
*') C. A. I. p. 417.
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Die Verwaltuüg der Universitäten Leipzig und Wittenberg. 29
anstellen und jeder von ümen selbst emmal im Jahr dekla-
mieren.
Bei einer Dispnt'ition erhält der Präsident fiinf. der
Respondent vier, jeder Opponent zwei Groschen. Ein Deklamaat
erhält fünf Groschen. Wer von den Professoren seine Disputation
oder Deklamation aussetzt, zahlt Gulden.^')
1680 werden in Leipzig in der philosophischen Fakultät
nenn Docenten aufgeführt.
Der erste, der Professor grammaticae, liest die grammatica
Fhilippi latine et graece.
Der zweite: Dialeeticam Phüippi, dann die Reden des
Cicero und den Qnintilian.
Der dritte: llhetorik.
Der vierte : Cicero, Caesar» Livius, Demosthenes, Thucydides,
Herodot oder Homer; er ist der „Linguist".
Von allen soU bei diesen Vorlesungen auf das „exercitium
stjli" gesehen werden. Der Grammatikus und Linguist sollen
alle 14 Tage ihre Zuhörer ein Extemporale im Latein schreiben
Isssen, das nachher korrigiert und besprochen wird. Der
Bhetorikus muss dagegen mit seinen Zuhörern Disputationen
und Deklamationen anstellen.
Der fünfte liest die Kumödieu des Terenz, Vergüs Aeneis,
Hesiod und die Cyropädie.
Der sechste: Mathematik, Arithmetik, iSphaeram, Euklid
und Theorias Planetarum.
Der siebeute : Organon Aristotelia,
Der achte : libros Physikos Aristotelis und daa Oompendium
M. Georgi Libleri.
Der neunte : die Ethica und PoliUca Aristotelis.
Die drei über Aristoteles Vortragenden sollen griechisch
lesen.
Die Professoreil und Magister der philosophischen Fakultät
sollen sich zugleich Privatschüler halten. Das Honorar für
diesen Privatunterricht darf im Jahr pro Schüler nicht vier,
bei Reichen nicht fünf Thaler überschreiten. Ebenso sollen die
C. A. L p. 951 ff.
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30 I^io VerwaltiiDg der IJxiiTenitätai he&jpag und Witienberg.
Professoren kein zu hohes Kostgeld und Stubenzins too ihien
bei ihnen wohnenden SobtUern nehmen.
Diese PriTatpr&ceptoren sind ^erteljKbrlich vom Rektor^
Eänzler und der philosophischen Fakult&t zu Tisitieren.
Auch in Leipzig findet jeden Sonna))end eine Disputation
statt, der ein Magister präsidiert, Baccalaureen respondiereu,
'während andere Magister opponieren. Der Präses hat seine
Thesen 14 Tage vorher dem Professor, in dessen Gebiet die
Disputation lallt, zu übergeben. Dieser prüft sie und übergiebt
sie dann dem Dekan. Dekan und Professoren haben der
Disputation beizuwohnen. Im Sommer beginnen die Disputationen
um sechs Uhry im Winter um sieben Uhr früh. In Betreff der
Promotionen ist genau vorgeschrieben, was bei den einzelnen
Geraden von den FromoYenden zu leisten ist
Ein Baccalaureus muss Latein und Griechisch verstehen,
femer Dialektik, Rhetorik, principia Physioes, Arithmetik und
Sphaeram gelernt haben, und nachweisen, dass er in den Dis-
putationen genügend respundicrt iiabe.
Ein Magister muss des Latein und Griechisch wohl kundig
sein, ebenso Dialektik, Physik und Ethik des Aristoteles be-
herrschen und fleissig disputiert liahen.
Der Kanzler hat den Examina beizuwohnen. Unnötige
Kosten sollen ganz vermieden werden, den Unvermögenden .ist
der dritte Teil aller Kosten zu erlassen.
Ein Ma^ster hat zum prandium einzuladen alle Magistri
artium, die Professoren der drei oberen Fakultäten, das Consi-
lium Perpetuum und den regierenden JEtat.**)
Ausser den oben genannten Professoren doderten später
in der FakuMt auch noch andere Docenten. So hören wir,
dass 1614 in Wittenberg 6 Adjunkte in die philosophische Fa-
kultät aufgenommen werden, denen es obliegt, fleissig privatim
zu lesen und mindestens im Vierteljahr einmal öffentlich zu
disputieren.'***) 1668 wird von Kurfürst Johann Georg Tl. be-
stimmt, dass auch diese Adjunkte Dekane werden können.'*^)
«*) C. A. I. p. 744 ff.
w) C. A. I. p. 963 ff.
•») C. A. I. p. 981 ff.
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Die Verwaltung der UniTerutäten Leipzig and Wittenberg. 3X
1711 erhält die philosophische Fakultät zu Wittenberg von
König Eriedrich Augnst, als Beichsvikar» das Prinlegium, dass
sie gekrönte Poeten ernennen dürfe.^'}
In der theologischen Fakultät sind 1536 in Wittenberg
drei promovierte Doktoren als Legenten. Der erste und zweite
lesen vier Tag^e in der Woche je eine Stunde, und zwar der erste
im ueueu Testament hineiiiander Römer, Gaiater und das Evan-
gelium Johannis. Das Gebiet des zweiten hat man leider ab-
solut vergessen, anzugeben. Der Dritte liest am Montag und
Donnerstag alle anderen Episteln Pauli, Petri und Johannis.
Ansaerdem mnss er am Mittwoch und Sonnabend in der Schloss-
kirche predigen.
Ausser diesen drei liest noch ein Pfarrer zu Wittenberg, der
Doktor oder wenigstens lizentiat sein muss , am Dienstag und
Donnerstag das Evangelium Mathai, Deutoronomion und zu
Zeiten einen der kleinen Propheten.
Die ersten 3 Lektoren eiiialteu jährlich 200 Gulden Ge-
balt in vier Raten. Der Pfarrer ausser seinem Fiarreinkommen
noch 60 Gulden.«*^)
1580 wurden für beide üniversitäten vier ordentliche Pro-
lessoren und ein Professor hebraeae liuguae bestimmt. Der erste
von ihnen liest die fünf Bücher Mosis, der zweite die Propheten,
der dritte die Episteln St. Pauli, besonders Römer und Ga-
iftter, der vierte Timotheus, Titus und die Hauptartikel christ-
licher Lehre, die locos communes Philippi
Ein Successor soll die Vorlesung seines Vorgängers da
irieder au&ehmen, wo jener aufgehört hat Möglichst soll in
der Textsprache gelesen werden. Bi 3^4 Vorlesungen soU
mindestens ein Kapitel, in 16 Vorlesungen ein locus beendigt
werden. Die Zuhörer dürfen nach der Lektion Fragen an die
Docenten richten.
In Wittenberg sollen die Professoren abwechselnd für die
vielen Ausländer au den Sonn- und Feiertagen das Evangelium
lateinisch erkläxen. In den Wochenpredigten sollen sie die sonst
nicht gelesenen Bücher der heiligen Schrift auslegen.
•>) C. A. L p. 993 f.
") 0. A. L p. 9Ö1 ff.
32 Die Verwaltong der UnivenitäUn Leipzig and Wittenberg.
Der Profe'^^ior liiigiuie liebraicae soll viermal im Jahr das
Compendium grammaticae auslesen und daneben den Psalter,
die Sprüche Salomonis oder sonst ein leichtes Buch interiiretieren.
Disputationen finden im Jahre zwölf statt. Jeder Professor
hat 14 Tage vor dem öffentüchen Anschlag sie dem Dekan zu
Übergeben^ der sie mit den drei anderen Professoren be-
spricht. Bricht ein Streit über sie aus, so schiebt der Kanzler
die Disputation auf, bis Einigkeit über sie erzidt ist; inzwischen
wird irgend eine andere Materie disputiert. Zu Respondenten
sind besonders Stipendiaten zu wählen. Die Zeit des Beginns
ist die in der philosophischen Fakultät. Philusuplubche Öubtili-
täten sind in ihr zu vermeiden, alle Beweise dürfen nur aus der
heiligen Schrift genommen werden. Kirchenväter und Konzilien
sind nur dann heranzuzielicn, wenn sie mit dieser übereinstimmen.
Ein ßaccaiaureus muss wohl ])ewandert sein im alten und
neuen Testament, und die Hauptartikel der christlichen Lehre
aus ihr verteidigen können, ausserdem muss er in einer Dispu-
tation öffentlich respondiert haben und ein Examen bestehen.
Ein licentiat und Doktor muss wohl erfahren sein in der
heiligen Schrift und alle Artikel der christlichen Beligion aus
ihr beweisen und die Irrlehren widerlegen, sowie der Jugend
die ersteren gut vortragen können, er muss eine Disputation
halten und ein kurzes Buch der keiiigen Schrift eventuell eine
Eipistel Pauli kursorisch lesen und mehrmals öffentlich pre-
digen. '^'^) 1616 wird verfügt, dass hei den ordentlichen Dispu-
tationen der Name des Respondenten auf den Thesen stehen
soll. Der Dekan soll besonders darauf achten, dass dabei
nichts contra analogiam fidei gesagt werde. Die theologischen
Professoren sollen wider ihre Gegner schreiben. Keiner soll
zom Lizentiaten oder Doktor promonert werden, der nicht
schon eine seinem Bange entsprechende Vokation hat, Torher
eine Probepredigt gehalten, das inramentnm religionis geleistet
und die Konkordienformel unterschrieben hat.**) Wir stehen
hier schon in der Zeit der yerknocherten lutherischen Orthodoxie,
welche vor allem anderen auf stramme Eechtgläubigkeit hielt.
»*) C. A. 1. p. 725 fr., 730, 731 f.
»*) ü. A. I. p. 915 ff.
Digitized by Cov.;v.i^
Die Verwaltung der Universitäten Leipzig und Wittenberg. 33
1624*^ wird die theologische Fakultät von Kurfürst Johann
Geor? L angewiesen, darauf zu acliten, dass in den anderen
Fakultäten ebenfalls, wie verordnet, die Angsbnrgische Kon-
fession resp. das Kookordienbuch unterschrieben werde und
überhaupt Zucht und Disziplin bewahrt bleibe. Zuwider-
handelnde 8oU sie dem Konsistorium anzeigen. Jeder Kandidat,
der m den anderen Fakultäten zu Giaden zugelassen werden
iriU, muss Ton ihr ein Zeugnis bringen, dass er die geforderte
Unteischriffc geleistet habe.
In den Ordnungen yom 1. Januar 1S80 findet sich ganz
genau der Wortlaut der Eide und Versprechungen, die bei der
Immatrikulation und bei Promotionen etc. zu leisten waren. —
Unter achtzehn Jahren durfte man bei der Immatrikulation
nicht den Eid leisten, sondern man musste statt dessen nur
dem Rektor geloben, den Statuten und ihm Gehorsam zu leisten
etc. Nach zurückgelegtem achtzehnten Lebensjahr wurde der
Eid nachgeholt. Hieraus lässt sich wohl die häufige Bemerkung
in den alten Matrikeln der Unirersität hinter den Namen der
Inscribierten: „non iurant** erklären. — Nun findet sich 1680
weder bei der Immatrikulation noeh bei den Promotionen der
did anderen Fakultäten irgendwelche konfessionelle Yerpflich«
tuog, nur die Theologen werden bei der Promotion auf das
Apostolikum, das nikenische und athanasianische Glaubens-
bekenntnis, die Augbburger Konfession, die Öchmalkaldener
Artikel, Luthers Katechismus und die Torgauer Deklaration
verpflichtet.
1616 und 1624 haben sich die Verhältnisse stark ver-
äudert, jetzt werden in den drei anderen Fakultäten die Frem-
den bei der Inskription auf die Augsburger Konfession, die
Einheimischen and die Theologen auch noch auf das Kon-
kordienbuch verpflichtet Wie es mit den Kandidaten stand^
haben wir soeben oben gesehen. Ebenso mussten die Stipen-
diaten mit 18 Jahren das iuramentnm religionis leisten und
das Konkordienbnch nnterscltreihen« **) 1668 wird Ton jedem
C. A. I. p. 969 ff.
C. A. I. p. 748 flF.
C. A. I. p. 969 f. und p. 915 £.
Brachmüller, Beitrage.
8
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34 Die Verwattmig der UmTenitiitcn Leipzig und Wittenberg.
PromoTenden das iuramentnm religioBis gefordert.^*) Wie
flchftrf der Gewissenszwang auch, was die Bttcheroensnr betrifft,
geübt wurde, haben wir schon oben gesehen. Eine von der
oltiziellen abweichende Meinung auch litterarisch /u begrüiiden
1111(1 zu vertreten war schlechterdings dadurch zur Unmöglich-
keit gemacht worden.
In Wittenberg sind 1536 in der juristischen Fakultät vier
Legenten, von denen drei Doktoren , der vierte wenii^^steus ein
Licentiat sein muss. Jeder hat vier Tage in der Woche zu
lesen und zwar täglich eine Stunde.
Der erste liest Pandekten , der zweite Dekretalien, der
dritte ,»in codice'*, der vierte Institutionen. An Gdialt erhält
der erste 200 Qulden, der zweite 180, der dritte 140, der vierte
100 Gulden jährlich in vier Raten. Die drei ersten sind zu-
gleich Assessoren heim Hofgericht, der vierte der Advokat
und Prokurator der Armen hei ihni; alle vier haben Rechts-
belehrungen lu bürgerlichen und peinlichen Sachen zu er-
teilen.
In Leipzig sind 1580 fünf ordcntlicbe juristisclie Professoren.
Sie sollen in höchstens fünf Jahren die wichtigsten juristischen
Materien absolvieren. Es werden dann genaue Vorschriften
gegeben, was ein jeder in jedem Jahre lesen soll.
Der erste liest Hateriam Contractuum, der zweite Mate^
riam ultimamm voluntatom, der dritte materiam IndicoTciin
besonders ez iure Ganonico.
Dieser dritte ist der Ordinarius der Juristenfaknllät, der
vor den anderen eine höhere Stellung einnimmt. Wir kommen
nachher auf ihn zurück.
Weitläufigkeiten und besonders das Diktieren in den Vor-
lesungen wird den Professoren untersagt. Man soll sich an
berühmte Rechtsinterpreien arisciiliessen, so z. B. an Paulus
de Castro, Jaso, Decius. Panormitanus.
Nach der Vorlesung ist es den Zuhörern erlaubt, an den
Docenten Fragen zu richten. Der vierte soll die Titel lesen^
die neben den erwähnten materüs ordinarüs nicht repetiert
C. A. 1. p. mit,
C. A. I. p, 951 fll
Digitized by Cov.;v.i^
JMe Vwwaltiug; der UaiTenitäten Leipzig und Wittenberg. 36
Verden könceD, ausserdem soll er jedes Jabr zwei Monate lang
im JuDi und Juli die materi^ feudalem bebandeln.
Der fünfte liest Institutionen, Dieser hat nur einen drei-
jühngea Knrsns, nicht wie die ersten drei einen fünfjährigen«
Genau ist auch der Stundenplan yorgeschrieben. Der
erste liest früh yon 7 — 8, der 3* Ton 9 — 10, der 5. Ton 1 — 9,
der 4. Yon 2 — 3, und der 2. TOn 4 — Jeder soll eine volle
Stande lesen.
Ifan sieht schon aus diesen äusserst genauen Vorschriften,
dass man in den Fleiss gerade der Juristen kein allzu grosses
Vertrauen setzte. Und in der Tbat siud die Klai'en über den
Unfleiss der Juristen und die Verordnungen dagege n häufierer
wie in den anderen Fal<iiltäten. Dies lag zum Teil daran, daas
die Juristen nebenbei eüie ausgebreitete Frivatpraxis trieben,
znm Teil aber auch daran, dass sie erstens bei den Hofge-
richtoTi beteiligt waren und dann stark yon den JBHlrsten selbst
zo diplomatischen Aktionen etc. herangezogen wurden. So yer-
spricht KurfOrst Christian II. z. B. 1612*^, dass künftig die
Juristen möglichst mit Legalionen und Kommissionen yer-
sehont werden sollen. 1614 war den Juristen, z. B. dem Ordi-
narius wegen seiner vielen sonstigen Greschäfte, in einzelnen
Fällen gestattet worden, ihre Vorlesungen durch tüchtige Sub-
stitute halten zu lassen; doch wird diese Vergünstigung schon
1624 wegen Missbrauchs wieder kassiert. '"^)
Ausser den ordentlichen Professoren kommen auch in der
Juristenfakultät Adjunkti vor, weiche auch eine Stimme bei
der Dekanatswahl haben und sogar selbst wählbar sind. **)
Disputationen finden nach den Ordnungen Ton 1580 in der
jnristisdien Fakultät 12jährlich statIv ausser den disputationes
extraordinaiiae yon Licentiaten und Kandidaten. Die Themata
smd dem Ordinarius yorher zu übergeben. Der Tag, au dem
die Disputationen gehalten werden, ist der Mittwoch, die Zeit
des Beginns die in allen FakuMten übliche. Die Themata
müssen 8 Tage vorher angeschlagen werden. Beizuwohnen
") C. A. I. p. 733 C
««) C. A. I. p. 172.
") C. A. I. p. 969 IV.
C. A. I. p. 969 ff.
3*
Digitized by Gov.*v.i^
35 Verwaltung der UniversitäteD Leipzig und Wittenberg.
haben der Disputation der Ordinarius, die Professoren und
Doktoren iur., der Rektor und der Kanzler. Baccalaureen
und Studenten respondieren. Ausserdem finden alle 14 Tage
Sonnabends Disputati ones extraordinariae im Auditorium Petri-
num statt, besonders müssen sich an diesen die Promovenden
beteiligen. Ein Baccalaureus muss disputiert haben, darum
haben bei diesen Disputationen die Kandidaten den Yoiraog.
Ihnen wohnt immer ein Professor und ein Doktor yon den
fünf zuletzt promonerten bei, um die Ordnung aufrecht zu er-
halten; diesen müssen Torher die Themata übergeben werden.*")
Ein BaccalaureuB muss Institutionen und titnlum de ver-
bomm significationibus wohl studiert haben, ausserdem müssen
ihm die ordines et continuationes titnlomm wobl bekannt sein.
Ein Licentiat und Doktor muss den cursus studioru.m absol-
yiert haben und schon Vorlesungen und Disputationen gehalten
haben.**)
Eine eigentümliche Sti^Uung nimmt in der juristischen
Fakultät neben dem Dekan, dessen Amt ebenfalls lebensläng-
lich ist — weshalb aus der Juristenüakultät an seiner Stelle
zur Rechnung des Universitätsfiskus ein ordentlicher Professor
der Beihe nach abwechselnd deputiert wird*^ — der Ordi-
narius der JuriatenfiLkaltät ein. Dieser gehört^ wie wir schon
oben gesehen haben , zu dem Oondlium perpetuum und ge-
niesst auch sonst Terachiedene Vergünstigungen. So wird ihm
1616*^ gestattet, dass er in der Woche nur 3 Stunden zu
lesen braucht, etc. Während der Dekan nach aussen hin, bei
Konvi Dten etc. vor ihm durchauö die Präzedenz hat, hat der
Orduiarius die Initiative bei den eigentlichen jurisdiktionären
Funktioiiüii der juristischen Fakultät. An ihn geben die hin-
kommenden Rechtssachen, er verteilt die Akten, ernennt die
Referenten und Korreferenten, sammelt die Vota und sieht die
Urteile durch.®*) Kurz, im Innern der Fakultät ist er ent-
•») C. A. I. p. 737 f.
••) C. A. I. p. 738 C
C. A. L y. y21.
••) C. A. I. p. 916 ff.
«) a A. I. p. 981 ff.
Digitized by Cov.;v.i^
Die Verwaltmig der Ualvemtäteik Leipsig und Wiitenbeig. Z7
schiedea der eiste Mann, wShiend der Dekan die Fakultät
mebr nach aussen hin repräsentiert
Mit dem SchÖppenstnhl in Leipzig geriet die Juristen-
Mnltät zuweilen in Kompetenzstreitigkeiten, weÜ auch sie sich
eimSchtigt glaubte in Kriminalsachen Bechtsbelehrungen er-
teflen zu dürfen. Dies wird ihr 1638 auf eine Beschwerde
des Leipziger Schöppeustuhls hin verboteD."^**)
1721 und 1723'^) erhält die juristische Fakultät die Auf-
gabe und das Kecht, die Notarii publici auf ihre Kenntnisse
und Fähigkeiten bin zu prüfen, sodass in Notar, ohne diese
Prüfung bestanden zu haben, mehr ernannt werden darf.
Die medicinische Fakultät war in Wittenberg bei der
Gründung am schwächsten vertreten. Anfangs war nur eiui
dann 2 Doktoren der Medicin als Docenten in der dortigen
Paknltät. 1636 wird dann ihre Zahl noch um einen vermehrt^
von denen 2 Doktoren, der 3. wenigstens ein Lioentiat der
Medizin sein muss.
Der erste liest Hippokrates, der 2. Rosin und Aujermann,
der 3. Amitomicos libros.
An Gebalt erhält der erste 150, der 2. 130, der 3.
8ö Üulden.^-)
Man sieht, dass in diesem Plane noch gar keine Rück-
sicht genommen ist auf irgendwelche Demonstrationen und
praktische Übungen. Diese setzten sich erst sehr langsam und
allmählich durch.
1680 finden wir in Leipzig 4 ordentliche Professoren in
der medidnischen f^akultät.
Der erste liest Physiologie nach Galen und Aricenna, der
i, Pathologie und Symptomatik ebenfalls nach Galen und
Aricenna, der 3. Hygiene und Therapeutik nach Galen, Ari-
cenna und Rasis, der 4. Chirurgie und Anatonde nach Galen.
Wer kann und will, diiif auch über Hippokrates lesen.
Also auch jetzt herrschen noch vollkommea m dein medi-
cinischeii Unterricht die Alten vor. Aber daneben wird auch
'O) C. A. I. p. 1131.
'1) C. A. I. p. 1206 und 12U f.
«) C. A. I. p. 951 flf.
Digitized by Gov.*v.i^
38 Die Yerwaltang der TTiuTemtiiteik Leipzig und Wittenberg.
BohOD bestimiDt, dass OkuIardemonstrationeD angesteUt werden.
Der Kursus ist bei allen 4 Professoren ein dreijähriger.
Der Obirurg hat in diesen 3 Jahren und nach Möglichkeit
mit praktischen Beispielen zu lesen, im ersten: de tumoribus
praeter naturam, im 2. de vulneribus et ulceribus, im 3. de
luxatis et fractis ossibus. Ausserdem soll er, wemi irgend
möglich, miüdestt ns f mmal im Jahr ,,in publica anatomia"
au einem menschlicheu Körper das, was er dociert hat, demon-
strieren.
Ebenso soll möglichst einer ordinem medicamentonun gene>
ratim miscendorum et componendorum docieren.
Jeder Professor hat jährlich 3 Disputationen zu halten,
er muss seine Thesen vorher dem Dekan übergeben, 8 Ti^e
vor der Disputation müssen diese öffentlich angeschlagen werden.
Für Wittenberg wird verfügt, dass man sidi auch dort,
80 gut es nach der geringeren Anzahl der Docenten geh^ will,
nach diesen Vorschriften richten soll.
Ausser dieser ihrer Docentenpflicht liegt es den Professoren
auch noch ob, während der Ferien die Apotheken zu visitieren
und die Barbiere und Wundärzte zu prüfen, welche ohne
Approbationsschein der medizinischen Fakultät nicht prakti-
zieren dürfen.'*) :
1624 wird bestimmt^ dass jährlich mindestens zwei sectiones i
humaoi corporis vorgenommen und ebenso oft die Studenten
„herbotim'' geführt werden soUen. Zugleich wird ein „hortus
medicus'' für Wittenberg in Aussicht gestellt.'^) 1668 ist ein
solcher mit einem Inspektor darüber thatsäohlich vorhanden.^*)
Zahlreich sind auch seit 1716 die Verordnungen, nacii
denen die Körper hingerichteter Verbrecher an die Anatomien <
zu Sektionen ausgeliefert werden sollen, so haben wir solche ii
im Codex Augusteus von 1716, 1718 und 1723. '«) is'
Vielfach und heftig wird, wie wir schon oben erwähnt
haben, über die Trägheit der Professoren und besonders der k
'*) C. A. L p. 740 ff.
C. A. I, p. 921.
^ C* A. J. p. 969 f.
^ 0. A. I, p. 947, 398-^, 993 ff.
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Die Verwaltung der UiuTersitaten Leipsig und Wittenberg. 39
juristischen geklagt. Scharf umgrenzt und rocht knapp be-
messen waren daher auch die Ferien, uiui elienso scharf die
Kontrolle, ob die Professoren ihre Vorleaungen auch wirklich
bielteo. Nicht gelesen wurde in Leipzig nach den Ordnungen
vom 1. Januar 1580 an den Sonn- und Feiertagen, die in der
Kiichenoidnung bestimmt waren, dann während eines Monats
in den Hundstagen, weiter an je 8 Tagen während der 3 Leip>
ziger Messen, jedoch musste am 9. Tage wieder gelesen werden,
weiter nm Weihnachten und Pfingsten je 3 Tage, nm Ostern
▼om G-ründonnerstage an 6 Tage, und um Estomihi inklnsiTe
des Sonntags 3 Tage lang.
Von Wittenbertr hören wir nur, dass dort keine über-
mässigen Ferien gebräuchlich seien, und dass dort auch während
der Huüdstage gelesen werde, deshalb solle es dort beim Alten
bleiben.
Ausserdem dürfen die juristischen Professoren, welche im
Hofgerichte gebraucht werden, während der Dauer desselben
ihre Vorlesungen aussetzen.
1614 finden wir auch eine genaue Feiienordnung für
Wittenberg im Codex Augusteus.'^ Dieselben erscheinen gegen
die Leipziger TOm Jahre 1680 stark erweitert, — mit Aus-
Dahme der Hnndstage — und man darf daher wohl annehmen,
dass diese Erweiterungen auch Leipzig betroffen haben werden,
Nicht geieöt'H wud jetzt au allen Sonn- und -b'eiertageu. vom.
Sonntag vor bis nach Weihnachten, vom Sonntag Palmarum
bis Quasimodogeniti, vom Pfingsttag bis Trinitatis, je 14 Tage
an den drei Leipziger Märkten.''')
Um die Professoren zu kontrollieren wurde viermal im
Jahre nach den Ordnungen vom 1. Janur 1580 ein sogenanntes
£iamen neglectuum abgehalteu, in dem vor einer Versammlung
aller Professoren jeder seine Versäumnisse samt den Gründen
hitk angeben musste. Die Versammlang entschied dann, ob
die Gründe stichhaltig, oder der betreffende zu einer Strafe
a Teiarteilen sei. Diese Strafe fliesst in den Fiskus der Uni-
") C. A. I. p. 752.
'») C. A. I. p. 963 ff.
c. A. I. p. m fi".
40 Verwaltung Uer Univeraiiaten Leipzig und Wittenberg.
yersität und darf nicht kleiner sein, als nach dem Gehalt des
Betreffenden pro rata auf jede Lektioü kümmt.
Stichhaltige Eutsf huldigungsgründe sind: Krankheit, Be-
gräbnis eines Freundes oder Nachbars, die Hochzeit eines
nahen Verwandtpo , oder unvermeidliche G-eschäfte der IJni-
Teisität. Bei einer notwendigen E.eise muss diese dem Eiektor
oder Dekan angezeigt werden und eventuell die Yersäumten
Stunden nachgelesen werden. Doch soll eine solche Erlaubnis
Tom Kektor mögliohst selten ertolt werden. Jeder Professor
muss selbst lesen, nicht durch Substitute seine Yorlesmigeii
abhalten lassen. Die Fraepositi CoUegiorum haben den Un-
flnss eines Professors dem Bektor und Kanzler anzuzeigen,
letzterer fuhrt ein Verzeichnis aller YersSmnisse.^^)
1614 wild für AVittenberg als Strafe für jede versäumte
Disputation drei Thaler bestimmt, welche vom Gehalt zurück-
behalten werden. Vor dem Examen Neglectuum erhält über-
haupt kein Docent mehr als die Hälfte des fälligen Gebaltes.
In jeder Vorlesung muss ein Stipendiat diese nachschreiben,
wobei bei jeder Stunde genau das Datum am Rand vermerkt
werden muss. Diese Hefte erhalten der Eektor und die Dekane
zur Einsicht» Ton denen sie dann an das Oberkonsistorium ein*
gesandt werden. Die Strafgelder fallen jetzt zu ^
Bektor, zu 7« en die Dekane nnd KoUegienverwalter und zu
% an den Nacbschreiber.
1624 werden für jede yersänmte Lektion in den drei
oberen Fakultäten zwölf Groschen, in der philosophischen
sechs Groschen, für eine Disputation 3 resp. 1 ^/^ Thaler als
Strafe festgesetzt, unerlaubtes Verreisen k(jstet fünf Thaler.®*)
166f> wird sogar bestimmt, dass jeder Professor seine
öffentlichen Vorlesungen von halb zu halb Jahr einsenden
mnss.^^) 1714 wird den Professoren ausser bei Krankheit
oder anderen dringenden Hindernissen verboten, im Hanse zn
lesen, was besonders während des Winters yorkam.^)
•0; C. A. 1. p. 752 ff.
«) C. A. I. p. 963 ff.
"2) C. A. I. p. 969 ff.
w) 0. A. I. p. 979 ff.
•*) C. A. 1. p. 388.
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Die Verwaltnng der UniTerntäten Leipzig und Wittenberg. 41
1614 wird verordnet, dass jeder ordentliche Professor der
drei oberen Fakultäten jährlicb zwei Disputationes ordinariae
halten oder in seinein I^Iamen Yon einer anderen genugsam
babilitierten Person halten lassen nmss. 1616 wird yerordnet,
dass alle Professoren der drei oberen Fakultäten vier Stunden
wöchentlich lesen und alle drei Jahre ihre Pensen absolvieren
sollen. Die Vortragssprache soll lateinisch sein.
Ebenso werden die Professoren auch häufig ermahnt , die
Konvente etc. tieissig zu besuchen. 1624 wird als Strafe für
Fehlen in denselben das erste Mal ein Verweis, jedes folgende
Mal zwölf Groschen festgesetzt. 1665 werden sie ermahnt
dort friedlich zu seiui überhaupt einträchtig zu leben und sich
nicht gegenseitig von der Kanzel etc. anzugreifen.
Zwischen und gegen Professoren ist eine Injurienklage
durchaus unzulässig, doch muss der Beleidiger eine Abbitte und
Ehrenerklärung leisten.^*)
Bei allen Disputationen, Promotionen und anderen öffent-
lichen Akten haben die P^fessoren nach den Ordnungen tou
1580 eine eigene Bank. Zuerst kommt der Rektor, dann der
Kanzler, darauf der theologische Dekan mit seinen Professoren,
dann der Dekan der juristischen Fakultät und seine Proloösoren,
es folgen sodann in derselben Ordnung die Mediciner und
Artisten. Die Professoren unter sich sitzen nach dem Alter
ihrer Promotion. Eine zweite Bank nehmen die Doktoren
ein. Nach einer Verordnung von 1668 sitzen auch die
Adjunkti der Fakultäten bei ihren Professoren , und nur die
Doktoren, die nicht einer Fakultät als Docent angehdren, bildra
eme neue Bank für sich.
Die Denomination für erledigte Professuren steht nach der
Fundation der Universität Wittenberg Tom Jahre 1536 der
Universität zu. Sie normiert zw^ ihr für die Professur ge-
•») C. A. I. p. 963 ff.
••) C. A. I. p. 916 m
0. A. I, p. 969 ff.
^ C. A. L p. 979 ff.
C. A. 1. p. 871.
«>) C. A. I. p. 778.
") C. A. I. p. 981 ff.
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42 Verwaltnngf der Univerntaten hüpäg und Wittenberg.
eignet erscheinende Personen dem Kurfüsten, der daa Be-
stätigungsrecht hat; doch kann dieser auch ahsolnt frei aus
eigener MachtToUkommenheit tttchtige Leute yon ausserhalb an
die Universität berufen. **)
Nach den Ordnungen von 1680 macht die betreffende
Fakultät, in dur die Professur erledigt ist, dem Rektor inner-
halb von 14 Ts. gen ilirc Vorschlage, dieser berät darüber nach
Anhörung des Rates der drei oberen Fakultäten mit dem
Kauzirr und dem Concilium peri)etuuni. Bei ihrer Wahl ent-
scheidet Stimmenmehrheit, der Kurfürst hat die Bestätigung.
Bei ^m\ev Erledigung in der philosophischen Fakultät darf jede
Fakultät dem philosophischen Dekan innerhalb von 14 Tagen
Vorschläge machen, aus den Vorgeschlagenen wählt die philo-
sophische Eakulföt zwei bis drei aus und meldet diese dem
Bektor. Sodann wird im Beisein des Bektors, Kanzlers und
Senates in einer Versammlung aller Professoren einer gewählt.
Doch ist diese Versammlung nicht an die von der philoso-
phischen Fakultät Ausgesuchten gebunden; sondern sie kann
aus der ganzen Zahl der von allen Fakultäten Vorgeschlagenen
wählen. •'^)
Die Entscheidung? der ünivorsität muss nach dem Dekret
Ton 1624 binnen sächbisclh r Frist (sechs Wochen drei Tage)
dem Kurtürsten mitgeteilt werden. Geschieht dies nicht, so
verliert die Universität das ins nominandi. ®*)
Uber die Gehaltsverhältnisse der Professoren erfahren wir
Genaues aus dem Codex Augusteus nur fOr Wittenberg, und
sind hier die Gtehälter immer bei Besprechung der einzelnen
Fakultäten angegeben worden.
1409 erhalten in Leipzig die zwölf Magister des Oollegium
majns je 30 fl. jährlich , der Magister sacrae theologiae noch
30 fl. ausserdem, also im gauzen bü ti. Die acht Magister
des CoUegium minus erhalten jährlich je 8 fl. •*)
Ausserdem hören wir nur noch gelegentlich über Befrei-
**) C. Ä. I. p. 955 ff.
»») C. A. I. p. 747 f.
•*) C. A. 1. p. 969 f.
•*) C. A. I. p. 905 f.
Die Verwaltung der UniYersitÄten Leipzig uad Wittenberg. 43
Txngen der Professoren von allerlei Steuern , so 1662 Ton der
Türkensteuer. *•) 1682 werden sie von der Einquartierungslast
befreit.*') 1705 von der Vermögens- und Capitationssteuer.**)
1716 erhalten die Professoren und deren Witwen Freiheit von
der Generalacciae.*') Daran wird der Wunscii geknüpft, dasa
die Professoren wieder, wie es früher Brauch gewesen sei,
Studenten für billiges Geld au ihien Tisch nehmen sollten,
SbeDso steht es den Docenten frei, für ihren Hausgebrauch
jährlich fünf bis sechs Fass Bier sich stoiK rfrei von anderen
Orten holen zu dürfen. Das Eüenburger Bier scheint hierbei
yon den Leipziger Docenten besonders bevorzugt worden zu
sein. Verordnungen wegen des freien Tischtrunks finden sich
im Codex Augusteus Ton den Jahren 1622, 1647, 1661 und
1711. »0«)
Wie wir eben sahen, wurde es gern gesehen, wenn die
Professoren Studenten an ihren Tisch nahmen. Vielfach
schenkten aber auch die Professoren in ihren Häusern Bier
und Wein aus, was oft zu grossen x\j:gerüiöseü Anlass gab.
Deshalb wird 1614 das Bier- und Weinschenken den Professoren
der Theologie und Juhsprudenz vollständig verboten, die
anderen dürfen wenigstens keine anderen Gäste ansetzen. ^^^)
Beim Beginn der Universität Leipzig hatten sämtliche
Docenten und Studenten in den Kollegien zusammengewohnt,
die Docenten waren zugleich die »piivati praeceptores^ der
Studenten. 1580 wohnen schon viele Studenten und Professoren
in der Stadt. Es muss aber dafär, wie 1580 verordnet wird,^^*)
jeder Kollegiat, wenn er nicht selbst im Kollegium Wohnung
nehmen will, an seiner Stelle eiiicu iü< htigen Magister ins
Kollegium setzen, der dort „privatos discipuioa'' hält und auch
sonst den Professor vertritt.
Fest geregelt ist endlich auch, um dieses noch anzufügen,
C. A. I. p. 37.
C. A. 1. p. 2041.
»») C. A. II. p. 1801.
»•} C. A. 1. p. 378.
O. A. L p. 925, 263; U. p. 1454, 1617.
"•«) C. A. 1. p. 968 ff.
»•^ C. A. L p. 754 fil
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44 Verwaltaog der (Jnivenitaten Leipng "^i^ VV itt€oi>ej;^.
die Tracht der Profissoren und sonstijjen UniTcrsitStever-
wandten sowie ihrer fc'rauen und Töchter, fibeiiso bestehen
genaae Vorschriften über die Zahl der Gäste and die Zahl
der Tische, die ein Universitätaverwandter bei Hochzeiten etc.
laden resp. setzen darf* Solche Vorschriften finden sich im
Codex Angustens ans den Jahren 1612 nnd 1661. '^*)
Nachdem wir jetzt die Fakultäten nnd die Professoren
keDiien gelernt hüben, gehen wir zu drr Betrachtung der
Universitätsinstitute über, der Bibliothek, der Kollegien mit
der Kommunität iiud des Stipendiums, iirn daun zum Schluss
noch einen Blick auf das Leben und Treiben der studierenden
Jugend zu werfen.
In der Fundation Wittenbergs vom Jahre 1536 hören wir,
dass Herzog Friedrich dort eine gute Liberey begründet habe«
Diese soll jetzt in der oberen grossen Hofstnbe des Schlosses
aufgestellt werden. Für ihre Vermehrong werden jährlich
100 Gulden ausgeworfen. Ihre Verwaltung erhält ein „fh>nimer
gelehrter Magister" mit einem jährlichen Gehalt von 40 Gulden.
Dieser soll zn der Bibliothek täglich in bequemen Stunden
freieu Einfjang gi-wiihreu, ^"■*)
1G16 hören wir auch von einer Bibliothek in fjeipzig, dieselbe
erhält jährlicli nur eine Unterstützung vi>n 20 Gulden, wofür
mit Vorwissen des Kektors und der Dekane nützliche Bücher
angeschafi't W(;rden sollen, den Professoren steht der Zugang
zur Bibliothek frei, auch dürfen sie sich aus ihr Bücher nach
Hause entleihen. ^^^)
Wahrscheinlich hat schon damals die Bibliothek in Leipzig
das PriTilegium besessen ^ dass jeder Buchhändler in Leipzig
von einem neuen bei ihm erscheinenden Werk ein Exemplar
an die Universitätsbibliothek schenken musste; 1624 wird das-
selbe Prmleg auch auf die üniversitöt Wittenberg ausgedehnt
für die in Wittenberg erscheinenden Bücher. ^®®)
1668 wird für Wittenberg bestimmt, dass für das Geld
'«■«) C. A. I. p. 1456-5Ö, 1467, lö64.
C. A. I. p. 955 ff.
H (X A. I. p. yiü rt".
»««} C. A. I. p. 969 ff.
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Die YenraltaDg det Univerritiiten Leipzig uad Wittenberg. 45
YOn der Bibliothek besonders seltene und kostbare Bücher an-
gescbafift werden sollen, damit Professoren und Stndenten diese
benutzen können.
In Leipzig wurden 1409, wie wir schon mehrmals crwiihut
habeu , zwei Kollegit'ii begründet, jedes von ihnen bosass ein
Tollständig Steuer- und lastenfreies Haus. ^'*®) 1543 erhält die
Universität noch das Paulinerkloster geschenkt,^"*) welches
auch zu einem Kollegium eingerichtet wurde. In diesen
Kollegiengebänden wurden nicht nur die Vorlesungen, Dis-
putationen etc. abgehalten y so z. B. die juristischen in dem
Golleginm Petrinum ; *^^) sondern es wohnten auch die Docenten
und Studenten anfangs ausschliesslich in Ihnen. Später freilich,
wie schon 1680, wohnten auch viele ausserhalb in der Stadt
An der Spitze jedes Kollegiums stand ein Kurator, den die
im Kollegium wohnenden Magister bei der Aufrechterhaltung
der Ordnung und der Beaufsichtiguui; der dort wohnenden
Studenten unterstützten. Der Kurator lührt über das Betragen
der einzelnen Bewohner ein Verzeichnis, das er von Zeit zu
Zeit dem Kektor vorzulegen hat. Der Rektor hat während
seiner Amtszeit jedes Kollegium mindestens einmal mit seinem
Vorgänger und dem philosophischen Dekan zu visitieren. Die
Kechnungen der Kollegien werden den dazu verordneten kur-
fürstlichen Kommissaren und den Deputierten des CSoncilium
publicum schriftlich zur Prüfiing übeigeben. ^*^) Die Juristen
haben ihr eigenes KoUeginm ittr sich, das schon genannte
Collegium Petrinum (1504), ^'^) wahrschemlich in der Peters-
strasse gelegen, in der sich noch heute das Geb&ode der
juristischen Fakultät befindet.
Eng verbunden mit der Einrichtung der Kollegien war
auf den Universitäten die der Kommunität, oder des „gemeinen
Tisches,^ an dem armen Studenten für ein hilliges Kostgeld
»•') C, A. I. p. 981 ff.
w«) C. A. I. p. 905 f.
C. A. I. p. 14.
*«) C. A. 1. p. 7S7 f.
C. A. L p. 768 E
"«^ C. A. L p. 911.
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46 Verwaltimir der Umvenit&ten Leipzig und Wittenberg.
Essen und Trinken verabfolgt wurde. In Leipzig befSemd sich
der ^gemeine Tisch** in dem PaulinerkoUegium,
Die Administration des Panlinerkollegiiuns mit der Korn-
mnnitöt ruht, wie wir 1616 hören, in den Hfinden Ton zehn
Männern» Ans diesen Decemyiri soll der Bektor jährlich einen
Präses wftblen, der den anderen die Bechnnng yorlegt. Wöchent-
lich hat abwechselnd einer der Decemviri die Inspektion und
mu88 der Speisiu g beiwohnen. Ohne Vorwissen des Rektors
und Inspektors darf der Ökonom keinen an den Tisch auf-
nebmi II. Jedes Zechen ist in der Kommunität verboten. Allen
Mitgliedern werden die Vorlesungen, die sie hören sollen, vor-
geschrieben, vierteljährlich haben sich die Decemviri danach
za erkundigen, ob diese auch Ton den Studenten besucht
werden; Ungehorsame sind dann zu bestrafen oder eventuell
anszuschlieesen. Das Kostgeld beträgt wöchentlich 6 Groschen
und muBs im Toraus auf vier Wochen erlegt werden.^^^
Auch in Wittenberg wird 1636 für den gemeinen Tisch
mit einem Qehalt von jährlich 40 Gulden ein Ökonom von der
Universität angestellt. Während der Mahlzeit soll hier ein
Lektor, welcher ein armer Studtut snu luusb, der dafür zwölf
Gulden jährlich erhält, aus der heiligen Schrift vorlesen. ^^^)
Zur Unterhaltung des gemeinen Tisches in Leipzig lieRs
Herzog Moritz seit 1543 jährlich 600 Scheffel Korn Leipziger
Mass dorthin liefern. ^ ' "^j 1694 werden dorthin im ganzen 700
Scheffel Getreide geliefert, nämlich aus den Amtern Delitzsch,
Pegau und Leipzig je 200 und von Grimma 100, doch werden
dafOr die 300 Gulden aus dem Amte Petersberg eingezogen. ^^^)
1683 wird bestimmt, dass jährlich 160 Stück Landvieh, 400
Schöpse und 60 Kälber accisfrei in die Kommunität nach
Leipzig gebracht werden dürfen.*
BbenfallB zur ünterhaHong armer und würdiger Studenten
diente noch eine andere Einrichtung in beiden Universitäten,
das Stipendium. Eine Anstalt, in der die Stipendiaten in fast
C. A. I. p. 921.
"*) C. A. I. p. 966 ff.
»«) C. A. L p. 14.
C. A. I. p. 911.
»') C. A. L p, 938 f.
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Die Verwaltung der Universitäten Leipzig nnd Wittenberg, 47
klösterlicher Strenge gehalten werden. Die Insassen waren
meist, in Leipzig anfangs jedenfalls ausschliesslich, Schüler der
drei sächsischen YOn Herzog Moritz begründeten Landesschulen.
1545 werden von Kurfürst Johann Friedrich in Wittenberg
ans den Eiokünften der Stifte Altenburg, Gotha und Eiaenach
150 Stellen für Stipendiaten eingerichtet, doch können diese
noch nicht sofort alle besetzt werden, da noch Kanoniker leben,
welche aus den Einkünften der genannten Stifter lebenslänglich
ihr Einkommen beziehen. Von diesen 150 Stellen werden 38
mit Kindern von Adeligen, 28 mit Kindern von Pfarrern und
Predigern und 86 mit BUrcferskindern besetzt."*) In den Ord-
nungen Kurlürsts August vom 1. Januar 1580"®) erhalten wir
einen genaueren Einblick in die ganze Organisation dieser
Stipendien. Schon Kurfürst Moritz hatte in Leipzig etliche
Stipendien für die dort studierenden Fürstenschüler verordnet.
Jetzt wird die Zahl der Stipendiaten bedeutend erhöht. In
Leipzig wie in Wittenberg sind jetzt 300 Stipendiaten, welche
Medicin oder Jura studieren, und 150, die für den Kirchenr
und Schuldienst Torbereitet werden, also in jeder Universität
450 Stipendiaten. Sie sollen yon den anderen Studenten ab-
gesondert und in besserer, emstlicherer Zucht und Lehre ge-
halten werden. Zu ditst m Zwecke sind in Leipzig im Pauliner-
kolleg, in Wittenberg im Collegio Augusti besondere und
bequemere Wohnungen eingerichtet worden.
Die Leitung eines jeden Stipendiums liegt in der Hand
emes Magister domus, der die Stipendiaten beaufsichtigen,
examinieren, ihnen ihr Geld austeilen muss und Uber jedes
einzelnen Fortachritte und Führung quartaliter an das Oberw
konBistorium in Dresden berichtet. Ihm zur Seite stehen acht
magistri repetentes, welche aus den tüchtigsten und am weitesten
Torgeschrittenen Stipendiaten genommen werden und mit den
übrigen, die täglich gehürten Lektionen etc. repetieren müssen.
Die Oberaufsicht führen die Superintendenten des Stipendiuma,
welche zwei Professoren der Theologie sein müssen ; sie wohnen
a A. L p. 969 ff.
»«^ C. A. L p. 479, 697-616.
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48 Verwaltung der Universitäten Leipzig and Wittenberg.
den Tierteljährlichen Examen bei und beaafsicbtigeü dea magister
domus und die magistri repetentes.
Die aufzunehmenden Stipendiaten müssen Landeskinder
sein und nachweisen, dass sie bedürftig und würdig sind zur
AufDahme und gewisse Vorkenntnisse, besonders Kenntnis der
alten Sprachen, mitbringen. Sie müssen dann geloben, nach
beendigtem Studium sich in den Dienst keines anderen Heim
als des Kurfürsten zu begeben und während ihrer Stipendiaten-
zeit genau der Stipendiatenordung nachleben zu wollen. Auf
das Genaueste und Strenjjste ist sodann das ganze Leben und
der Studiengang der Stipendiaten geregelt. Von morgens bis
abends sind die Andachten, die Vorlesungen, die Mahlzeiten
fest normiert. Ausser den öÜentlichen Vorlesungen, die sie
besuchen, müssen sie im Stipendium unter sich mit den magistri
repetentes fleissig repetieren, disputieren und Predigtübungen
anstellen. Alle Vierteljahre müssen sie in allen Fächern, die
sie getrieben, ein Examen bestehen, wobei zu Tage tretende
Trägheit streng, eyentuell mit Aussdilieesung, gestraft wird.
Freüich soll auch bei der Vorschriüb der zu hörenden Kollegien
auf die besonderen Neigungen tmd die Begabung des einzelnen
Kücksicht genommoD, doch kein Each dabei gänzlich vernach-
lässigt werden.
Aussor freier Wohnung, freiem Tisch, Holz und Unter-
richt erliit Iti n die Stipendiaten vierteljährlich auch noch eine
gewisse Summe Greldes für ihre sonstigen Bedürfnisse, über die
sie aber am £nde jedes Quartals vor dem Magister domus ge-
naue Rechnung ablegen mussten. Ihren allgemeinen Tisch
hatten sie im OoUegium Paulinum oder Augusti abgesondert
Ton dem gememsamen Tisch der übrigen Studenten, der sich
audi dort befiEuid, Im Winter wurden einige Zimmer zum Ar«
beiten geheizt, wer dort keinen Platz erhielt, dem wurde ein
solcher in der Kommunität, also dem Speisesaal, angewiesen.
Die Stipendiaten der Medicin und Jurisprudenz legen ihre
Quaitaisoxamina nicht wie die übrigen vor dem magister domus
und den Superintendenten, sondern vor dem Dekan ihrer Fa-
kultät ab, von dem sie dauu ein testimouium ihres l^leisses bei*
bringen müssen. ^^^)
*«) c. A I. p. m ff.
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Die Verwaltniig der UniTenitSien Leipzig und Wittenberg. 49
1624 wird bestimmt^ dass die Stipendiaten mit 18 Jahren
das Iniamentom religionis ablegen und die sabecriptio libri
concordiae leisten mUssen.^'^)
Zum Schluss sollen noch einige aut das Leben imd Treiben
der Studenten bezügliche Verordnungen und Mandate liier Er-
wähnung finden. Grübstenteils sind es Erlasse, die sich auf
Aijss( hreituDgen der studierenden Jugend beziehen und solche
Yerbieten, so Verbote wider das Duell, das Pennalisieren, das
Zechen und Lärmen während der Nacht, etc., eto., also meist
negativer Art. £inige allerdings haben anch einen positiTen
Inhalt» wie die, welche die Studenten gegen die Ansbeutiuig
gewissenloBer Wacherer schützen aollen, oder sich auf die Woh-
nungsfrage und die Frivatpräoeptoren beziehen.
Die beiden ältesten hierher gehörigen Erlasse des Oodez
Augusteus sind undatiert, stammen aber sicherlich aus der
ältesten Zeit der Universität Leipzig, ihr ganzer Tenor, alles,
was darin verboten wird, z. B. Mord, Diebstahl, gewaltsames
Eindringen in die Häuser, Überfälle, Raufereien und die Schärfe
der Strafen , mit denen besonders die Duelle und Kaufereien
bedroht werden, zeigen, dass man noch keineswegs zu geordne-
ten Verhältnissen gelaugt, und dass die damalige Studenten-
schaft stark mit mehr als zweifelhaften Bestandteilen durch-
setst war. Während des XYL Jahrhunderts findet sich eigent-
lich keine einzige Verordnung, die sich ehigehend mit studen-
tischen Ansschreitangen befasst Em günstiges Zeichen für
die damalige sittliche Haltung der Studentenschaft. Nur im
Vorübergehen wird in den Ordnungen von 1580 das nächt-
liche Lärmen und Verhöhnen der Stadtwaclie verboten.
Mit dem XYII. Jahrhundert und der zunehmenden all-
gemeiiji n Verwilderung der Sittel^ Tnehren sich auch wieder
die Verordnungen gegen die Aussciireitungen der Studenten in
ganz bedenklichem Masse. Besonders richtet sich jetzt der
Eifer der Behörden auf die Auarottang des Pennalismus mit
seinen oft schamlosen Ansschreitangen. G^en ihn gerichtete
"») c. A. 1. p. m i\.
««») C. A. I. p. 906 ff., 907 E
C. A L p. 764 f.
BrnehmftUer, Beltiife>
4
50 ^ y«rwaltiiiig der Unrrenltiteii Ij€ii»ig und Witttttbag.
llandate weist der Codex Augusteus in reicher Anzahl auf.
DftB ante denrige JlCandat datiert Tom 9. Januar 1624.^**)
Es folgen solche aus den Jahren 1646, 1648, 1663, 1661, 168S,
1700.^*") Andere Verbote richten sich gegen das Wehrentiagen
der Studenten (1619) gegen DueUe 1670, 1712 und 17SS ^"),
oder gegen anderen groben ünfdg, so Störung des Gottes-
dienstes durch Weri'bü von den Emporen iiud Ümbcrgoiieii
während desselben^*®), gegen das Verlarven und Mummejilaufen
während der Fastenzeit 1617 ^**) etc. etc.
Positive Bestimmungen für das Leben der Studenten ent-
halten dagegen wieder die Ordnungen vom 1. «lanuar 1580.^^*^)
In ihnen wird bestimmt, dass alle unverheirateten Privatpracep-
toren und Studenten wieder in den Kollegien zu wohnen haben*
Sind diese besetzt, ao daif ein Student nnr mit Erlaubnis des
Bektors bei einem sonstigen FriTatprftoeptor wohnen. Dieser
mnss seine Studenten beaufsichtigen, besonders sie zur Spar-
samkeit anhalten. Die PriTatpräoeptoren stehen unter der In«
spektion des Rektors, der gegen faule und liederliche Privat-
lelirer strafend vorgeheu kann.
1624 werden Verordnungen getroffen gegen die Uber-
teuerungen der Studenten durch die Tisch wirte, es wird letz-
teren yerboti Ii fremdes Bier einzuführen und Zechen nach
Tisch zu gestatten.
Krämer und ßuchhändler dürfen einem Studenten ohne
Yorwissen der Eltern nicht über 10 Gulden, einem Adligen
nicht über 20 Ghilden borgen.^^^)
Hierher gehören schliesslich auch noch eine Beihe Ton
Yeroidnungeo, die yerhüten soUen, dass Studenten dnrch Ans*
stellong Ton Wechseln sich in Schulden stttrzen. Nadi ihnen
wird den Studenten, die noch kein eigenes Vermögen besitzen
»»*) C. A. I. p. !lf>9 ff.
G. A. 1. p. yVü, 977, 933, 207, 989, 941.
*«) 0. A. I. p. 172.
'•^ 0. A. L p. 1638, 1801, M9.
>M) C. A. I. p. m
C. A. I. p. 923.
C. A. 1. p. 754 ff.
C. A. I. p. 969 ff.
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Die Vetwaltung der UniTenitiiteii Leipsig und Witteaberer. 51
oder schon akadenusoke Ghrade erlangt haben, sodass sie sich
durch Lesen oder Praktizieren selbst ihren Unterhalt Terdienen,
ftberhanpt die Fähigkeit abgesprochen, rechtsverbindliche Wechsel
ausstellen xu kennen. Die betreffenden Yerordnungen datieren
aus den Jahren 1671^ 1681 nnd 1718.i*«)
0. A. n. p. 2019, 9088, 9068.
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m
Anhang.
Zur ältesten Geschichte der Universität
Frankiurt a. Oder.
lo dem 8. Bande der ^^Forschmigen zur BraodenburgischeiL
und PreaBrischen Gescbichte'' auf Seite 290 teilt Ernst
Friedländer eine Reihe interessanter Aktenstücke zur Geschichte
der Universität Frankfurt a/Oder mit. Den ersten Teil dieser
Akteustücke hilden 14 Bekanntmachungen des ersten Rektors
der Universität, Conradus Wimpina (Conrad Koch aus Buchend
des nachmaligen bekannten Gegners Luthers, an die Studi nten.
Diese Bekanntmachungen umfassen die Zeit vom 15. März
1506 bis zum 12. Juli 1506, sie fallen also in das Gründungs*
jähr der Uniyersität und geben uns manche Aufschlüsse über
das damalige Leben und Treiben an der ÜniTersität. Den
9. Teil bildet eine Verordnung yom 14. September 1642» die
eine Tollstimdige Reform der UniYersitat enthält Erlassen
müde sie nach einer erfolgtm Bevision dnidi bufttrsiliche
Visitatoren.
Beide Teile zuaammengenomiiien geben ein so anschau-
liches Bild des damaligen Universitätslebens, dass wir uns an
ihrer Hand die Verlmltnisse der UniTersität Frankfurt a/Oder
Terg^enwärtigen wolleo.
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Anhang. Zar ältesten Gesohichte der UmTersität Frankfnrt a. Oder. 58
Am 26. April 1506 wurde die ih uc T"^niversität eröffDet.
Aber schon eine ziemlich geraiime Zeit vorher müssen sich
eine Anzahl von Studenten in Frankfurt gesammelt haben. So
eigeht scbon am 15. März 1506 die erste Bekaontmachung
des Bektors an die Studenten. Sie sollen am gleichen Tage
um 19 Uhr in der Wohnimg des Kektors am Harkt, in dem
Hause des Henm Joh. Bnchholz, sidi einfinden, nm dort einige
die UniTersität betreffende Verordnungen anzuhören. In anderen
Bekanntmachungen aus dieser Zeit werden die Studenten auch
noch in ein anderes Bürgerhaus, das des Caspar Wald be-
rufen. Wir sehen daraus, dass für den Augenblick die junge
I^niversität noch keine (ugeiien Kollefriengebäude besass, —
diese waren, wie wir später seilen werden, vielmehr noch ira
Bau begriffen — und sich deshalb provisorisch mit anderen
in Bürgerhäusern gemieteten Räumen begnügen musste.
Die beiden nächsten Bekanntmachungen vom 25. und
S6. Aprü beziehen sich direkt auf die Eröffnungsfeierlichkeiten
der Üniyersit&t. Danach &nd am Tsge der Eröffnung, also
am 96. April, frUh um 6 Uhr in der MarienkiTohe eine feier-
liehe Messe statt, zu der alle Magister, Doktoren und Studenten
sich einzufinden hatten. An diese Messe schloss sich eine
feierliche Prozession. Ausdrücklich glaubt Wimpina hierbei
betonen zu uiü^seuj dass alle in anständiger Kleidung zu er-
scheinen hätten und sich nicht unterstehen sollten, vor Be-
endigung der Prozession fortzulauii :i , Kr mahnungen , die bei
jeder derartigen Gelegenheit wiederkeliren. Nach der Be-
endigung der Prozession und einem einfachen Frühstück haben
sich darauf um 11 Uhr wieder alle Mitglieder der UmTersität
vor dem Hause des Rektors am Markt einzufinden. Yen dort
begab man sich im Festzuge Tor die Stadt, nm dort die Privi-
legien der üniveiBität zu ,4iithronideren*^
Noch S weitere der Bekanntmachungen enthalten Auf-
forderungen zur Teilnahme an öffentlichen Prozessionen oder
feierlichen Messen. Die eine begründet diese AufforderuDg
folgendermasseii : Es sei klar, dass derjenige, welcher nicht
wisse, dass es würdig, billig und heilbringend sei, Gott zu ehren,
weder durch Vernunftgründe oder Überredung, noch durch
Schläge zu erziehen sei. Eine andere Verordnung verbietet
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54 Anhang. Zar äiteaten G^aschichte der UniTeraität Frankfurt a. Oder,
auBdrücklicli, während der Prozessi'm Rtörenden Ijärm zu ver-
ursachen. Sie giebt auch eine Anordnung der Reibenfolge,
Dach der die Studenten in der Prozession zu gehen haben.
Zuerst nach den Scholaren die y^minores stadiosi'S dann die
erwachaeneo Studenten, die sich noch keinen akademischen
Qiad erworben haben^ darauf diejenigen, die sicli zur Zeit im
Baccalanreataexamen befinden, dann die Baccalanreen nnd Ma-
gister^ zuletzt die Doktoren. Fraglich ist bei dieser Bangan-
itfdnung, was wir unter den ^^minores stodioei'^ zu Tersteben
haben. Wahrseheinlich waren es Mitglieder der Artistenfakul-
tät jüngeren Alters — oft wurden schon Knaben im zartesten
Alter Yon Eltern und \ ormündem als Studenten immatrikuliert
— die noch nicht die vollen Rechte eines Studenten genossen,
aber doch schon an der Universität Unterricht besonders in
den alten Sprachen genossen. Dies scheint mir aus einer Auf-
forderung des Rektors an Säumige zur Immatrikulation Yom
20. Mai 1606 hervorzugehen, hier nämlich wird auss^ dien
Studenten zur Immatrikulation auch geladen, y^quisquis sab
specie studentis in nostro gymnasio militatf^
Wenden wir uns nun zu dem Leben und 0!reiben der
Studenten selbst. In dieses lasaen uns viele der Bekannt*
madrangen nicht eben erfreoliche Blicke thuo. Die gesell-
schaftliche Zusammensetzung der Studenten war damals eine
in sich viel verschiedenartigere als jetzt. iSIeben den besseren
und begüterten Ständen fanden sich unter den Studenten nicht
selten solche Elemente vertreten, denen jede materiolle Unter-
lage zu einem Studium mangelte, verkommene Existenzen, die
sich nur durch das micrebimdene Universitätsleben angezogen
fühlten, Abenteurer, Bildungsproletarier, wie sie die neu er-
wachenden humanistischen Studien zahlreich herrorgerufen
hatten^ was nicht in Abrede gestellt werden kann und darf.
Zahlreich sind die Vorladungen an einzelne Studenten vor den
Rektor^ um sich wegen allerlei Verg^ungen zu verantworten.
In sehr entrüsteten Erlassen wendet sich Wimpina gegen das
„schreckliche, nächtliche Geschreies gegen den Lärm mit
Pauken und anderen Musikinstrumenten, gegen das nächtliche
Umherlaufen mit Schwertern, Kugeln und Schleudern. Mit
schweren Strafen werden die bedroht, welche den Schiffsherren
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Anhanir* ältesten Qeiebichte der UniTeraität Frankfurt.». Oder. 55
an der Oder Schaden an ihren Schiöen anrichten, ihnen wider
ihren Willen die Boote wegnehmen oder gegen die Beamten
and Wächter der Stadt ^^wüthen^S ja sogar nächtlicher Weile
in die Häuser embrechen^ etc.^ etc. Um alle dieee Aus-
schreitiiiigen za Terhüten» verbietet der Bektor sogar am
Sl. Hai allen Stadenteil den Besncli der öffentlichen Ta-
bernen, freilich, wie es scheint^ mit verzweifelt geringem Er-
Mg, da die Klagen, Verbote und Vorladungen wegen der vor-
her erwähnten Exccssc ungeschwächt fortdauern.
Ein schlimmeres Zeichen noch iiir die moraiische Minder-
wertigkeit der damaligen Fraukfurter Studentenschaft als
die Klagen über diese Ausschreitungen, die sich noch als ein
überschäumen jugendlichen Ubermutes entschuldigen lassen,
bildet eine Rektoratsverordnung vom 9. Mai, in der den Stu-
denten nichts mehr und nichts weniger verboten wird als das
Einbrechen in die Weiden- und EichenpÜanzungen, Weinberge,
Gtrten und Fischteiche der Frankfiirter Bürger, um darin zu
stehlen.
Ftoiliofa muss man hierbei bedenken, dass dies ganze Bild
mir aus den eben erhaltenen Verboten gegen derlei Aus-
schreitungen geschöpft ist, und dass diese sich gerade gegen
die uuliütüLäööigen Elemente der Studentenschaft richten, deren
Treiben in diesen Verordnungen sehr grell beleuchtet ist.
Durch die Verordnung vom 14. September 1542 werden
wir dann auch in das positive Arbeitsleben der Universität ein-
geführt, durch das den wüsten Ausschreitungen des zügelloseren
Teüs der Studentenschaft ein milderes Pendant zur Seite ge>
stellt wird.
£h6 wir aber hierauf eingehen^ möchte ich noch die letzte
Bekanntmachung des Bektors aus dem Sommer 1606 vom
U. Juli erwähnen, die uns zeigt, wie allmfihlich die Institute
der ja erst neu begründeten üniversitilt, in der es sicherlich
auch gerade wegen der Neuanlegung noch besonders wild zu-
giiig, sich auswuchsen. Der ilektor teilt in diesem Anschlage
mit, dass das Kollegium und die Bursc bald ganz vollendet
seui würden. Es waren dies Gebäude, in denen ärmere Stu-
denten zu billigen Preisen vollständige Aufnahme und Ver-
pflegung erhielten und unter strengerer Aufsicht zu einem
56 Anhang. Zur ältesten (ieschiciite der Universität Frankfurt a. Oder.
flfissigüu und g(H)rdnetem Leben angehalten wurden. Diese
Kollegien und Burseu nhU'u einen s( !ir heilsamen Einfluss auf
die Studentenaohaft aus, bis auch sie uu Laufe des XYII. Jahr-
hunderts ganz und gar ausarteten. Aus der Bezeichnung ihrer
Mitglieder als „bursarii" bilt^ete dch der spätere Name „Bunche"
fibr einen Stadenfen. Wimpina Terepricht des Weitmn in
seiner Verordnung denen, die nicht mehr Au&ahme in die
Burse finden würden, bei rechtzeitiger Meldung auch die An-
weisung heizbarer anderer Wohnungen für den Winter gegen
einen angemessenen Freie , der Ton dem Rektor bestimmt
werden soll.
Im Winter 1539/40 hatte in Frankfurt die Pest gehaust,
sodass Professoren und Studenten die Universität verlassen
hatten. Freilich fand man sich bald wieder zusammen, und
die Matrikeln der Universität zeigen nach Friedländer für die
folgenden Jahre keine besonders niedrige Frequenz. Dennoch
wird geklagt, dass die Universität „fast abgenommen" habe.
Von Anfang an machte ja die wenige Jalure vorher (150S) ge-
gründete XJniTersit&t; Wittenberg dem katholischen Frankfurt
schwere Konkurrenz. Daher mag die 1542 durchgeführte
Reform wohl recht nötig gewesen sein. Kurfürstliche Visi«
tatoren untersuchten im Auftrage des Landesherm die Zostftnde
der Universität und arbeiteten sodann ihre Reform aus.
Die Universität Frankfml hat sich bis jetzt trotz der
wenigen Jahre gegen ihren Anfane^ stark verändert. Früher
strenof kalhuli^^cb in bewusstem (Tegensatz zu Wittenb(Tjnf —
Wimpma erwarb sich seinen Ruf als Gelehrter hauptsächlich
durch seine Bekämpfung Luthers — und noch fast durch und
durch scholastisch, ist Frankfurt seit 1542 eine lutherische
Universität und die Humaniora haben Yor allem in der Artisten-
fakultitt die Scholastik gänzlich verdrängt Schon der geistige
Urheber der Frankfurter Universität, IHtelwolf Ton Stein, ein
Gönner Huttens, der sich 1506 auch für einige Zeit in Frankfurt
aufgehalten hat, hatte in Frankfurt einen Herd des Humanismus
gründen wollen, eine Absicht, die aber nach kurzem schein-
baren Erlülge, vollkommen misslungeu war, so sehr, dass
Frankfurt bald als eine HoclibnrjE^ der Scholastik gelten durfte.
1Ö42 ist hierin, wie gesagt, ein bedeutender Umschwung erfolgt,
Anhang. Zur iUtesten Geachichte der UxdTenität Frankfort a. Oder. 67
besonders was die philosophische Fakultät anbetrifft, aber auch
in den anderen Fakultäten. So wird 1542 für die medicinische
Fakultät bestimmt, daas einer der vier Docenten jährlich eine
Anatomie lesen nnd demonstrieren soll. Im übrigen sollen in
dieser Fakultät taglich Tier Vorlesungen gehalten werden:
1) über Galen, 2) über Hippokrates, 3) über Paulus Aegineta,
4) über Aricenna. In der juristischen Fakultät werden eben-
falls täglich vier Vorlesungen gehalten : 1) in decretalibus, 2) in
codice, 3) in libris feudorum, 4) in institutionibus. Von der
tbf ologiscben Fakultät, die ja schon früher reformiert worden
war, erfahren wir 1542 nur, daas in ihr täglich drei Lektionen
gehalten wurden.
Am eingehendsten werden wir über die philosophische
Fakultät unterrichtet. An Sprachen wird Latein, Griechisch
u^d Hebräisch dociert. Lateinische Autoren, über die gelesen
'wird, sind VergO, Ovid, Terenz, Flantus, Cicero und die Germania
des Tacttus, griechische Autoren: Homer, Hesiod, Demosthenes
und Aristoteles. Ausserdem wird noch Ethik, Bethorik und
Mathematik gelehrt. Der Vorlesung über Ethik wird der
Aristoteles und die Officien des Cicero zu Gj uniUj gelegt, der
über Rhetorik Ciceros: de oratore und seine Reden. In die
Mathematik, in der Euklid herrscht, ist die Astronomie mit
eiubegriüen.
Die Vorlesungen begannen im Sommer früh um fünf und
dauerten bis neun Uhr, worauf eine Panse von zwei Stunden
eintrat, um dann wieder von elf bis fünf Uhr fortgesetzt zu
werden. Im Winter las man von sechs Uhr früh bis zehn und
dann Ton zwölf bis fUnf Ühr nachmittags.
Während in der medizinischen und juristischen Fakultät
jährlich nur Tier, in der theologischen nur zwölf Disputationen
stattfanden, werden in der pbilosopbischen Fakultät niuijutlich
drei Disputationen und eine Deklamation gelialten. Bei den Dekla-
iiiutioneu wurden Stelleu aus den alten Klassikern vun den iStud ou-
ten rezitiert. Ausdrücklich wird bestimmt, dass die Deklamation
frei zu halten und nicht von Zetteln abzulesen sei. Die ge-
wählte Stelle musste Torher dem Dekan der philosophischen
Fakultät, dem Professor der Bhetorik und dem der griechischen
Sprache Torgelegt werden.
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58 Anhang. Zur ältesten (ieschichte der üniTersität J^'rankfurt a. Üd^.
Die Disputationen werden abwechselnd von einem Magister
oder einem Baccalaureus gehalten , diesem opponieren zwei
Baccalaureen. Das Thema der Disputation muBs yorher dem
philosophischen Dekan vorgelegt werden, welcher auch darüber
zu wachen hat, dass bei der Disputation kein Streit und Lärm
entsteht, die Disputierenden sich nicht gegenseitig beschimpfen,
sondern bei ihren BeweisfÜbrangen „zttchtige** Worte gebrauchen,
dass einer nach dem anderen gehört werde und nicht alle zu-
gleich reden. Wer einen akademiscben Qrad erlangen woUte,
muBSte mehrere Male disputiert xmd deklamiert haben.
Ferien gab es in Frankfurt nur wenige. An vier Tagen
in der Woche, am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag
musste gelesen werden. Fiel ein Festtag ein, so mussten die
dadurch verlorenen Stunden später nachgeholt werden. Als
Festtage gelten nur die in der kurmärkischen Kirchenordnu\)g
als solche bezeichneten Tage. Zusammenhängende Ferienzeiten
gab es überhaupt nicht; auch während der fiundstage sollten
die Vorlesungen fortgesetzt werden.
Jeder Student musste ausser an den UniTersifötsTorlesungen
noch an dem Unterricht eines privati praeceptoris teilnehmen.
Diese wohnten mit ihren Schülern zusammen und sollten auf
gesitteten Lebenswandel und Fleiss der ihnen Unterstellten
Acht haben. Sie hatten weiter dafür zu sorgen, dass die
Student^.11 diu Vorlesungen regelmässig besuchten, sie repetierten
das dort Gehörte mit ihnen und erteilten an den vorlesnnprs-
freien Tagen der Woche, also am Mittwoch und Sonnabend,
ihnen noch selbständig Unterricht, besonders in der G-rammatik
und den anderen philosophischen Fächern. Mit der Erwerbung
eines akademischen Qrades entwuchs der Student der Zucht
dieser PriTatlehrer.
Hatte man nicht schon auf anderen UniTersitäten studiert,
so musste man, um einen Grad zu erhalten, sich mindestens
ein Jahr an der Prankforter üniTersitöt aufgehalten haben, die
beiden Grade eines BaccaJaureus und Magisters der philoso-
phischen Fakultät konnten zu gleicher Zeit erworben werden.
Und zwar wurde der Baccalaureus in Griechisch und Dialektik,
der Magistrandus in Griechisch, Rhetorik, Natur- und Moral-
philosophie, in Astronomie und Mathematik geprüft.
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JÜJiftDg. Zar liltMteii Gtteliiclite der UnlTonität fVaiüdart a. Oder. 59
Uber die Kosten der Ftomotionen er&hren wir folgendes:
In allen Paknlt&ten sollen sie herabgesetzt werden, damit sieht
die Studenten znr Plromotlon auf andere Uniyersitäten gehen.
Die früher bei Promotionen üblichen Schmaubcreien dürfen
ganz wegfallen. Die Gesamtkosten sollen nicht mehr betragen
als: In der philosophischen Fakultät für einen Baccalaurens 27^
Gulden, für eiTien Magister 6 Gulden. In der theologischen
Fakultät für einen Baccalaureua 4 Gulden, für einen Licen-
tiaten 6 Gulden, für den Doktor 13 Guldeu. In der juristischen
Fakultät fär den Baccalaureus beider Rechte 8 Gulden, für
den Lieentiaten 10 Gulden, für den Doktor 14 Gnlden. In
der medicinischen Fakultät für den Baccalaureus 6 Gulden, für
den Lieentiaten 10 Gulden, für den Doktor 12 Gulden. Den
Pedellen hat ein Baccalaureus artium 3 Groschen, ein Magister
artinm V« Gulden, ein Baccalaureus jeder der 3 anderen Fakul-
täleu \^ Gulden, ein Liceutiat 1 Gulden, v'm Doktor 3 Gulden
zu geben. Die bis dahin den Pedellen gegebene Tonne Bier
samt dem Zuckerwerk soll fort fallen, aber den £xaminatoren
soll man Getränk und Zuckerwerk geben.
Ausser dieser eingreifenden Neuordnung des Studienganges
enthielt unsere Beform noch einzelne Vorschriften über die all-
gemeine Verwaltung und dann nähere Bestimmungen über die
Wohnungmi, die Küche und den Keller im Kollegium,
Zueist die allgemeinen Bestimmungen. Die HSlfte der
sSmiUchen Einkünfte aus den Promotionen etc. soll an den
FiskuB der üniTeisitat fallen, aus diesem müssen alle Gebäude der
Uoirersität und Fakultäten in baulichem Znstande erhalten werden.
l>as Uekanat der einzcluen J^^ikultätr'u soll vuu lialljem
Jahr zu halbem Jahr wechseln. JetU r Kt ktor soll im ersten
Monat st intT Amtsführung die Statuten otfenthch in einer Ver-
sammlung der ganzen Universität vorlesen und darüber waclien,
dass sie gehalten werden. Ebenso hat er darauf zu achten,
dass die Privilegien der Universität auch gebraucht werden,
damit sie nicht durch Nichtbenutzung verloren gehen.
In Frankfurt scheint ein Zwang für die Studenten, in den
Kollegien zu wohnen, nie bestanden zu haben. Mit diesen
Kollegien beschäftigeo sieh die letzten Bestimmungen der 1642 er
Hefonn ausführlicher.
60 Anhang. Zur Ülteiten Geadiiclite der UniTenitiit Frankfort a. Oder.
Die Wohtrangen in ihnen und die dazu gehörigen Bnisen
sollen jährlich um einen Zius Termietet weiden, aus dem die
Gebäude baulich erhalten werden sollen. Ausdrücklich wird
bestimmt, dass die Wohntm^en auch in einem solchen Zustand
sein solleü, dasi mau dann wohnen kann. Die besten Ge-
mächer sind für die „voraehmen, gelehrten und ansehnlichen
Personen von den Legenten" zu reservieren. Da zur Zeit
Teurung herrsche , so sollen die armen Studenten mit einem
„notdürftigen Tisch in collegio'' versorgt werden, und zwar
haben die Ärmeren pro Woche 6 Groschen, die Wohlhaben-
deren 8 Groschen dafür zu geben. Aus den Pachterträgnissen
der UniTersität soll j&hrlich ein Wispel Boggen in diese Küche
geliefert werden. Der weitere Boggenbedarf soll ebenfalls aus
diesen Pachteingängen gekauft werden und zwar pro Scheffel
4 Groschen unter dem jedesmaligen Marktpreis. Ebenso darf
die Universität wSchentlicb ihren Bedarf an Brot und Fleisch
accisfrei auf dem Markle decken.
Einige ^lagister haben immer im Kollegium zu essen und
dafür Sorge zu tragen, dass dort bei Tisch „gute Zucht ge-
halten und keine Leichtfertigkeit" getrieben werde.
In dem Keller des Kollegiums soll guter Wein und gutes
Bier ausgeschenkt werden, doch soll neben dem fremden Bier
für die, die solches nicht immer zu zahlen yermögen, auch
stets Frankfurter Bier gehalten werden , sodass niemals ein
Mangel an fremdem oder einheimischem Bier eintritt Mög«
liehst jedoch soll in dem Keller nur den Angehörigen der Uni-
Tersität das Bier ausgeschenkt werden, während die Übrigen
Stadteinwobner, so weit es geht, fem zu halten sind.
Die Reform schliesst endlich mit einer Ermahnung, dass
sich die Universitätsmitglieder in der Religion streng nach der
kurmärkischeu Kirchenordnung halten und nicht ..dansadcr reden
und böse Exempel geben" sollen. Wer von den Professoren im-
fleissig Vorlesungen hält, soll an seinem Gehalt gekürzt werden.
Ltpfftcl A Co. (O. f ittPMbt Bsohdr.), STMUilMUg S.
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In dem unterzeichneten Verlane ist erschienen:
AskenaÄV, S., Die letzte polnische Koniüswahl. 158 S. 8".
1894 ^4.—
Anf Gmndlasre des Torliecrenden mssischen AktenntaterialA nntersncht
A. die AVej;e und Mittel, «Inrrli w»Mit Poniatowskis Wahl von Husslainl durch-
ffesietzt wurde. Seine Anstiilinini^-en sind klar mnl iihi rz»'n<renil. In einem
Anl»anL''f' ist 7.nm 'IVil sehr iiit^fe^santes rrkuiiiU'iniiatri ial a'>ireilrnrkt
DaiilmaniL-Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte.
Quellen und Bearbeitungen systematisch und chronologisch
verzeichnet 6. Auflage bearbeitet von E. Steindörff.
730 S. 11.—, gebunden Jt 12,—
Da.«* Bncli ijewährt bei aller Knappheit einen crrossnrtijren Ueberhlick
sowohl üher die Gmn<11aireii. nnf dcnon ilie deutsche (re-sehieliri >iili anfliant.
als über den «lureh jaiirliundertelauge emsige For^ichunfi: gewonnenen gegen-
wRrtifiren Stand der Wissenschaft nnd bietet jtedem, der sich Uber irgend einen
T( il •! ^ iiiiirehenren Gebiets näher unterrichten will, ein äusserst beqnemes
ililt-niittel dar.
Forschungen zur deutschen Geschichte. Herausjifeg-ehen von doi-
Itistorischeu Konnui^ision bei der K. Bayerischen Akademie
der Wissenschaften. 26 Bände nnd Ee£ri>ftf'i- zn Bd. I XX.
1886. (statt .// lV)4.')0) .//. 200.—
Havemann, W., Die Geschichte der Lande Braunschweig und
Lüneburg. 3 Bde. 1853—57. (statt 12.—) Ji 6.—
Liiclitenberg, Georg Chr., Vermischte Schi iften. 8 Bände.
Mit dem Porträt, Facsinüle und einer Ansiclit vom Geburts-
hause des Verfassei's. jn 3.—
EinziiEre vollstliudlire Ori^iualausjcrabe der Schriften dieses geistvollen
Humorif^tfii um] Satirikers. Diese Ausfalle ist von den S'ölmen Lielitenher£j:.<*
Veranstalter und enthält alle.s nut Ansuahiue der reiuwiaseuschaltlichen .^nfsntze.
Ritter, Heinrich, Ueber unsere Kenntniss der Arabischen
Philosophie nnd besondt-rs über die Philosophie d^r orthodoxen
Arabr^ lirn Doo-inatikcr. l^Ai (statt ,// l ,r>()i j( — .()0
HiXtter, Heinricli, Abriss der philosophischen Logik. 2. nni-
gearb. Aull. 1829. (?;tatt 2.50) —.75
Ritter, Heinrich, Die Emanationslehre im Coberirnnge aus
der altertümlichen in die christliche Denkweise 1847.
(Statt ./-z 1.20) j{ ^.,50
Wagner, J. J«, Wörterbuch der Platonischen Philosophie.
1799. fstatt .// 1.50) .// —.60
IfiTagner, Rudolf, Der Kampf um die Seele vom Standpunkt
der Wissenschaft. Sendschreiben an Herrn Leibar/.t Dr.
IkMieke in Oldenbnrg. 1857. (statt .// :i.— ) 1. —
Wait2, Gr., Schleswig-Holsteins Geschichte in drei l^ücheni.
gr. S"". 1851 '54. (statt J( 18.—) J(. 9.—
Das erste Burli Ix liaiidtll die ^'ereiiiimiui; .Si uk-.-wio-. Holsteins, das
Bweite (He Zeit der vollen Selbständiirkeit und das dritte die Känii)te, welche
um diese Selbständigkeit und Unabhängigkeit geführt worden sind.
Leipzig iüetericli'ßdie \ erlagsbiichliaudiuiig
(vorm. Göttiiigen) Theodor JVeleher*
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In dem unterieiclineten Verlage Ut erschienen:
Barge» Hermann, Entwicklung der geschichtswissenschaft-
liehen Anseliauunfen fn Deutechland. gr. 8^ 3ß jt —.60
Kerondas' Mimiamben. Deutsch mit Einleituug uud Aumei kimgeu
von O. Crusius. XLIV und 8(3 S. Ji 2.—
I>ie Eiuleitniifif Mnirt eine (lianikteristik nnd WHnliürniifr «le>« Herondaa;
•'iiu' Analjve flu* *itiz<linii StHike: ruttrsmlmngen üVr Ht'inmt uud Zeit^
Yürjriiiiücr und Voihildcr «ks lUchtris; ntunireu \\h< r die Vortrairsweiise
der Miuii u, Ubtr Form uutl /weck der L tlu'ist tzuuif. In den Anmerkuugen
findet der Leser die für die Sacherklttrane: notwendicrsten Nachweise, im
^kritiMlini Auliauj;" v'nw ]iv^\re*\i\\\\i: sciiwit-rii:« !- T. xtiiai f i< n. Audi dem
rhilol(.yf(n wird das rduld» in als zweckiiiässigt Lmfühiimg iu das Stndium
des sthwitMiiTin l>irlifrrs willkninnun sfiu.
Hogarths Werke m M-i kleinerten aber vollständig'en Kcpien
Voll K. Jiicpeuliausen. Neue Ausgabe von H. Loedel.
88 KuplVistiehe, Folio, in eleganter Mai)pe. Dazu Text von
Georg Chr. Lichtenberg, in 1 Bd. gebunden. 25. —
Der im Jahre 1897 er^chteoene Neudruck der Tafeln ist nur in
wt niir« n Imndi rt Excniplar«ii her jL^t s teilt worden. Der Preis i>t so uui^ewöhn-
lich liiilii^ benios^rn, dass er die weiteste Verl»r<'irmijr des Wt rkes unter den
zahlreichen Freunden von lIoL'm-ths Kunst und Art ei niTii^lieht.
Georg Chr. Lichtenbergs Briefe an Dieterich, 1770—1798. Zum
hinifiert iiilii i^ron Todc^tnsre Lu hit ultergs herausgegeben von
Eduard GriseLacli. Mit einem Porträt Lichtenbergs
nnd einem Chodowieckischen Originalkupfer.
Schxnid, W., lieber den kulturgeschichtlichen Zusammenhang
und die Bedeutuny der griechischen Renaissance in der
Rdmerzelt B*". 47 S. Ji 1.20
Dem seit Ende des 2. vorchristlichen Jalirhunderta sich emeaemden
Kultus der kla»sisch-attis<hen Kunst, dessen Bedeutimc- fi^r die Litteratur-
niid Sprachgeschiehte er in seinem „ Attieismus-' beleuchtet^ sucht Verfasser
durch diese kurze Uebersiclit seine Stellung in der Geschichte hellenischer
Nationalität uud im gesamten Geistesleben des späteren Altertums anzuweisen,
indem er den inneren Zn-^nmuienbanir d» r hadriani:*ehen Henaissanoe mit der
Vergaugeuheil , unter dem (resichtsmiukt ihres Gegensatzes s^geu die Bar-
barisierung des Qriechentnms, nnd ihre noch jetzt nicht erloschene Wirkung
auf die Folgezeit darlegt.
Saltau, Wilhelm, Liviue' Geechiehtewerk, seine Kompositiou
und seine Quellen. Ein Hilfsbuch fiir Geschiebtsforscher nnd
Liviußleser. VH u. 224 S. Lex. 8** ^ 6.—
Dien - V,u< h, Theodor ^fnmmsen zum 80. Gfbnvt^itac:»'' ir^'^vidniet . hat
zum erstenmal den Versuch jtremacht, das gesamte Livianische üeschicUtswerk
auf seine direkten Quellen zurückzuführen und damit eine gesicherte Grund-
lage für eine (teschichte der riimix hen Annalistik zu gewinnen.
Es wird ein nnentbcbrlichrs Hilfsmittel für jeden «ein, der sieh gründ-
licher mit römischer Ueschichte uud römischen Historikern beschäftigen will.
Jü 2. — , gebunden J( 3,
Leipzig?
(vorm. Güttingen)
Dieterich'sche Yeiiagsbuchliaudluiig
Theodor Weicher.
Lipptrt & 0<>. lü. rati'sche ünchdr ), N'nuinburg a/8.
THE BORROWER WILL BE CHARGED
THE COST OF OVERDUE NOTIFICATION
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I 1